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Auf den Spuren der kameralosen Fotografie

Ein blaues Fotogramm, welches eine Pflanze, den sogenannte Wald-Geißbart, zeigt.
Anna Atkins, „Spiraea aruncus (Tyrol)“. The Metropolitan Museum of Art, New York.

Neue Perspektiven, Experimente und innovative Fototechniken machten die Fotografie in den 1920er Jahren zu dem Medium in einer neuen Welt der Wahrnehmung. Beeinflusst von frühen künstlerischen Techniken, wurden vor allem zu Beginn des 20. Jahrhunderts mittels der Fotografie, fernab der reinen Abbildfunktion, experimentelle Kunstwerke geschaffen.

Besonders spannend sind die sogenannten Fotogramme, die von avantgardistischen Künstler*innen des Dadaismus, Surrealismus und Konstruktivismus wiederentdeckt wurden.

Wiederentdeckt? Ja, das Fotogramm ist ein kameraloses Abbildungsverfahren, das bereits um die Mitte des 19. Jahrhunderts angewandt wurde und eine eigenständige Kunstform darstellt.

Das Fotogramm zeigt einen wilden Fenchel.
William Henry Fox Talbot, „Wilder Fenchel“. The Metropolitan Museum of Art, New York.

Fotografische Abbildungsverfahren ohne Kamera gehörten schon früh zu den beliebten bildgebenden Verfahren – Pionier auf diesem Feld war William Henry Fox Talbot (1800-1877). Als herausragendes Werk für die Zeit gelten die Studien zur Botanik von Anna Atkins (1799–1871). Die überaus detaillierte Abbildungsschärfe des Fotogramms überzeugte zu Beginn, im Gegensatz zur frühen Linsenfotografie und fand vermehrt Einsatz in den Naturwissenschaften. Auch heute noch bildet das Fotogramm die Grundlage für das Röntgenverfahren.

Die kameralose Fotokunst entsteht, wenn man Gegenstände auf eine lichtempfindliche Oberfläche, zum Beispiel Fotopapier – aber auch fotochemisch behandeltes Glas oder Filmmaterial legt und diese einige Sekunden lang belichtet. Anschließend folgt die Stabilisierung des Bildes mit Fixiermitteln.

In einer Zeit politischer und wissenschaftlicher Revolutionen visualisierte das Fotogramm, neben der Fotocollage, zu Beginn des 20. Jahrhunderts den Umbruch und die Aufhebung einer traditionellen Praxis malerischer Konventionen. Das Fotogramm wurde als ein idealisierendes abstraktes Bildverfahren von Künstler*innen sehr geschätzt.

Allen voran, der Bauhaus-Lehrer László Moholy-Nagy und seine Frau Lucia Moholy – Sie entwickelten eine vielseitige Beziehung zum Fotogramm, die sich in einer intensiven experimentellen Auseinandersetzung künstlerischer und theoretischer Arbeiten äußerte.

Als Meilenstein gilt die Ausstellung „How to Make a Photogram“ 1941 im Museum of Modern Art in New York.

Die Möglichkeiten neuer Perspektiven und die Sichtbarmachung von Licht durch die räumlich-abstrakten Bildebenen, waren für Moholy-Nagy Ausdruck einer neuen Bildwirklichkeit. Die Fotografie und im speziellen das Fotogramm, haben die Entstehung eines neuen Parameters der Ästhetik der Moderne geprägt.

Die Ausstellung „Fotografie in der Weimarer Republik“ im LVR-LandesMuseum spürt einige dieser experimentellen Entwicklungen und fotografischen Werke im Kapitel „Bauhaus / Surrealismus / Dada“ nach.

[Seher Nadine Anilgan, Hospitantin aus der LVR-Abteilung Strategische Planung / Netzwerksteuerung]

Schon gehört? Wir haben unsere Ausstellung „Fotografie in der Weimarer Republik“ bis zum 22.3. verlängert. Kommt also noch vorbei und taucht in die Welt der Weimarer Republik ein. Bis dahin könnt ihr auch noch einen Blick in unseren YouTube-Kanal werfen. Dort ist seit dieser Woche ein Rundgang durch die Ausstellung mit dem Kurator Lothar Altringer online.



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