Ein-Blicke in die Gemäldesammlung des LVR-LandesMuseum Bonn
So manche aufmerksame Museumsbesucherin und interessierter Museumsbesucher dürfte sich beim Betrachten eines der vielen Objekte im LVR-LandesMuseum schon einmal gefragt haben: Wie und wann ist das Kunstwerk in der Ausstellung ins Museum gekommen? Wer besaß dieses Objekt vorher? Wie wechselte dieses Objekt seine Besitzer*innen und geschah dies immer freiwillig?
Was ist Provenienzforschung?
Antworten auf diese Fragen liefert die Provenienzforschung. Das Wort Provenienz stammt aus dem Lateinischen: „provenire“, was „hervorkommen, entstehen“ bedeutet. Provenienz bezeichnet die Herkunft einer Person oder einer Sache. Der Begriff findet im Zusammenhang mit der Herkunfts-, Sammlungs- und Eigentumsgeschichte von allen Kunst- und Kulturobjekten wie z. B. Gemälden, Grafiken, Möbeln, aber auch Alltagsgegenständen Anwendung. Im Sinne der Kontextforschung kann die Provenienzforschung Aufschluss über Sammler- und Händlernetzwerke geben. Sie verdeutlicht Moden, klärt Zuschreibungen und Wertschätzungen. Die Erforschung der Provenienzen ist ein fester Bestandteil der kunsthistorischen Untersuchung eines Kunst- oder Kulturobjektes. Die daraus resultierenden Forschungserkenntnisse machen einen wichtigen Teil der Werkbiographie aus.
Einen zentralen Stellenwert in der musealen Forschung erhielt die Provenienzforschung 1998 mit der Washingtoner Konferenz. In den Washingtoner Prinzipien verpflichteten sich 44 Staaten, darunter die Bundesregierung Deutschlands, alle öffentlichen Sammlungen auf NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kunst- und Kulturgut hin zu untersuchen. Bereits ein Jahr darauf erschien in Deutschland die „gemeinsame Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz“.
Waren Provenienzrecherchen bis dahin von den Kurator*innen in den Sammlungen neben ihren vielen anderen Aufgaben betrieben worden, so wurde jetzt deutlich: es brauchte neue Fachwissenschaftler, deren Aufgabenbereich hauptsächlich die Provenienzforschung und Sammlungsgeschichte ist.
Provenienzforschung im LVR-LandesMuseum
Das LVR-LandesMuseum Bonn betreibt seit vielen Jahren proaktiv Provenienzforschung. In der Zeit des Nationalsozialismus wuchs die Sammlung des Museums immens an. Vornehmlich niederländische Gemälde des 17. Jahrhunderts kamen nicht nur über den deutschen Kunsthandel, sondern auch aus den besetzten Gebieten Frankreichs, Belgien und den Niederlanden nach Bonn. Nach dem Krieg wurden die Gemälde an diese Länder zurückgegeben, doch der in Deutschland gekaufte Teil blieb im Museum. In einem ersten Provenienzprojekt konnten diese Objekte vor 10 Jahren identifiziert und die Ergebnisse erstmals in einer Datenbank nachhaltig erfasst werden. Heute sind auch die Erwerbungen nach 1945 in den Fokus der Untersuchungen gerückt. Das Museum hat dabei immer zum Ziel, Verdachtsmomente aufzudecken und gegebenenfalls die Voraussetzungen für Restitutionen und gemeinsame, faire Lösungen zu schaffen.
In den letzten Jahren hat sich in der Provenienzforschung in Deutschland noch einmal viel getan. Objekte mit dem Kontext von Enteignungen aus den Gebieten der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und der DDR wie auch Sammlungsgüter kolonialer Kontexte rücken immer weiter in den Fokus der Forschung. Seit 2015 erhalten Museen durch das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste (DZK) hierfür Projektförderungen. Zum Sommersemester 2018 nahm die fakultätsübergreifende „Forschungsstelle Provenienzforschung, Kunst- und Kulturgutschutzrecht“ ihre Arbeit an der Friedrich-Wilhelm-Universität Bonn auf. Daran angeschlossen ist der Masterstudiengang „Provenienzforschung und Geschichte des Sammelns“. Anfang dieses Jahres begann die Koordinationsstelle für Provenienzforschung NRW ihre Arbeit. Mit Sitz am LVR-LandesMuseum berät sie NRW-weit Museen und Sammlungen rund um das Thema Provenienzforschung.
Das LVR-LandesMuseum Bonn möchte im Zuge der Umsetzung seiner digitalen Strategie zukünftig seine Sammlung auch im Internet recherchierbar präsentieren. Die offene Kommunikation über die Museumsbestände mit den Besucher*innen und die Vernetzung unter den Wissenschaftler*innen sind erklärte Ziele. Im ersten Schritt werden daher an dieser Stelle die Bestände der Gemälde des 19. Jahrhundert, insbesondere der Düsseldorfer Malerschule und später die Werke der niederländischen Malerei veröffentlicht. Im nächsten Schritt werden diese Bilder sukzessiv um ihre Provenienzangaben ergänzt.
[Franziska Helmenstein, Forschungsvolontärin im LVR-LandesMuseum Bonn]
Die Projekte „Düsseldorfer“ und „Niederländer“
Weiterführende Links:
- Die Washingtoner Prinzipien: https://www.kulturgutverluste.de/Webs/DE/Stiftung/Grundlagen/Washingtoner-Prinzipien/Index.html
- Gemeinsame Erklärung von Bund, Ländern und Kommunen: https://www.kulturgutverluste.de/Webs/DE/Stiftung/Grundlagen/Gemeinsame-Erklaerung/Index.html
- Informationen zum Umgang mit Sammlungsgut Kolonialer Kontexte: https://www.bundesregierung.de/breg-de/bundesregierung/bundeskanzleramt/staatsministerin-fuer-kultur-und-medien/sammlungsgut-aus-kolonialen-kontexten-1851438
- Leitfaden des Deutschen Museumsbunds zum Umgang mit NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts:
leitfaden-provenienz.pdf (museumsbund.de) - Die Koordinationsstelle Provenienzforschung NRW: https://www.kpf.nrw/
- Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste: https://www.kulturgutverluste.de/Webs/DE/Start/Index.html
Blogartikel zum Thema Provenienzforschung
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Dr. Heidi Gansohr
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