Die Gemälde des 19. Jahrhunderts,
insbesondere der Düsseldorfer Malerschule
Das LVR-LandesMuseum Bonn verfügt im Bereich seiner umfangreichen kunsthistorischen Sammlung über einen bedeutenden Gemäldebestand des 19. Jahrhunderts insbesondere der Düsseldorfer Malerschule. Der Bestand umfasst 78 Gemälde und wird durch Graphiken, Zeichnungen und kunsthandwerkliche Objekte ergänzt. Zwischen Mai 2020 und April 2022 wurden die einzelnen Gemälde durch ein Projekt, das durch das nordrhein-westfälische Ministerium für Kultur und Wissenschaft gefördert wurde, auf ihre Provenienzen hin untersucht. Die Erforschung lieferte neben der Vervollständigung vieler Objektbiographien von der Entstehung oder Beauftragung eines Kunstwerks bis zum heutigen Besitzer, wichtige Erkenntnisse zu Sammler- und Händlernetzwerken. Ebenso von Interesse war die Entstehungsgeschichte der Sammlung. Im Verhältnis zur 200-jährigen Museumsgeschichte ist diese Sammlung recht jung, wurde der Grundstock doch erst in den 1950er Jahren gelegt. Im Folgenden soll die Entstehungsgeschichte dieses Bestandes vorgestellt werden.
Archäologie statt zeitgenössischer Kunst
Der Schwerpunkt des LVR-LandesMuseum Bonn liegt seit seiner Gründung 1820 bis Anfang des 20. Jahrhunderts auf der Archäologie. Während man sich in Bonn der Altertumskunde des Rheinlandes widmet und kein Interesse für zeitgenössische Kunst besteht, entwickelt sich in Düsseldorf eines der bekanntesten und international agierenden Kunstzentren Europas: Die Kunstakademie Düsseldorf.
Unzählige Malerschüler aus allen Ländern zieht die Akademie zwischen 1819-1918 an. Auf Ausstellungen der Kunstvereine, der Akademie selber und in den Kunstgalerien bewegt sich zunehmend das reiche städtische Bürgertum. Sammler und Liebhaber finden sich auf der ganzen Welt. Die Bildmotive sind oft inspiriert aus der Dichtung, mittelalterlicher Erzählungen oder biblischer Szenen. Ganz neue Themen bringt die Zeit des Vormärz: Sozialkritische Themen als Bildmotiv wählend, positionieren sich die Künstler zu politischen Unruhen und weisen mit ihrem realistischen Stil auf Ungerechtigkeit und Elend hin.
Neben den Kunsthändlern übernehmen die Kunst- und Künstlervereine eine wichtige Aufgabe in der Verbreitung dieser neuen Werke. Ausstellungen gibt es nachweislich in fast allen großen Städten. Einige Bilder werden dort direkt verkauft, andere bestellt und wieder andere kommen zu Gunsten der Vereine und ihrer Mitglieder zur Verlosung. Über die Ausstellungen und Verlosungen, die gezeigten Gemälde und die Künstler berichten die lokalen Zeitungen der Zeit ausgiebig.
Neues nach der Jahrhundertwende
Von all dem bleibt das Museum in Bonn unberührt. Im 20. Jahrhundert wird die kunsthistorische Abteilung des Museums beträchtlich durch die Aufnahme der Wesendonk’schen Gemäldesammlung erweitert. Bemühungen rheinländische Kunst des 19. Jahrhunderts zu sammeln, löst dies hingegen nicht aus. Der Kunsthistoriker Walter Cohen bemängelt einige Jahre später, dass die Kunstgeschichte allgemein weder den rheinländischen, noch den Düsseldorfer Malern die nötige wissenschaftliche und vorurteilsfreie Beachtung schenke.
Das Landesmuseum leidet in den folgen Jahren vor allem unter Geldmangel. Dieser Zustand ändert sich erst in der Zeit des Nationalsozialismus. Die neue Ausrichtung ganz auf Linie der NS-Ideologie umfasst das gesamte Konzept der Ausstellung und den Schwerpunkt der Gemäldegalerie. Zukünftig soll die Gemäldegalerie durch die niederrheinischen und niederländischen Maler geprägt werden. Die Malerei des 19. Jahrhunderts findet in Bonn in dieser Zeit keinen Zuspruch.
Die Gemäldesammlung nach dem 2. Weltkrieg
Der 2. Weltkrieg geht auch an dem Museum nicht spurlos vorbei. Der Museumsbau wird stark beschädigt. Bis Anfang der 1950er Jahre können dennoch langsam alle Bestände aus den Luftschutzbunkern nach Bonn zurückkehren. Der Kunstkurator Franz Rademacher, der schon in der Zeit des Nationalsozialismus an der Erweiterung der Kunstsammlung mitarbeitete, führt noch bis 1959 die Sammlung weiter. Er interessiert sich hauptsächlich für mittelalterliche Plastik und niederländische Malerei. Sein Nachfolger wird Fritz Goldkuhle.
Der neue Kurator bricht mit den alten Kontakten und Sammlungsschwerpunkten. Hatte Walter Cohen in den 1920ern noch ein Desinteresse der Forschung angeführt, ist in den 1960ern eine Wertschätzung der rheinischen Malerei des 19. Jahrhunderts ins Museum eingezogen. Goldkuhle schreibt 1966 zu den Neuerwerbungen des Museums in den Bonner Jahrbüchern.
„Die Niederländer des 17. Jahrhundert hatten am Rhein ein künstlerisches Vakuum zu füllen. Das änderte sich schon im 18. Jahrhundert, während im 19. Jahrhundert überhaupt keine Rede mehr davon sein kann. Eine große Zahl einheimischer Künstler, zu denen sich fremde aus allen Himmelsrichtungen, ja sogar aus Amerika gesellten, entdeckten und malten damals den romantischen Zauber der rheinischen Szenerie in eben den Formen, die bis heute in unserem Bewusstsein nachwirken. Das Landesmuseum hat sich daher in jüngster Zeit besonders um den Ausbau der für seine Sammlung wichtigen Gattung der romantischen Rheinlandschaften bemüht. Über ein Dutzend rheinische Landschafts- und Stadtansichten des 19. Jahrhunderts wurden zusammengetragen, … Ein Ganzer Bereich der Kunst, und zwar die religiöse Malerei des frühen und mittleren 19. Jahrhunderts, wird beispielhaft vertreten durch das bedeutende Bild von Wilhelm von Schadow, dem hervorragenden Lehrer an der Düsseldorfer Akademie.“
Fritz Goldkuhle 1
Dieser von ihm beschriebene Bestand wird über die nächsten Jahrzehnte kontinuierlich erweitert. Heute ist die Sammlung eine beachtliche Mischung aus Landschafts-, Genre-, Portrait- und Historienmalerei. Sie umfasst Kunstwerke wichtiger Vertreter der Malerei des Rheinlandes und der Düsseldorfer Malerschule.
Die Sammlung ist seit ihrer Entstehung ein fester Bestandteil der Dauerausstellung. Nach deren Umbau werden Werke aus der Sammlung ab 2023 dort auch wieder vertreten und für die Besucher*innen zu sehen sein. Der Genuss hingegen, wirklich alle 78 Werke auf einmal zusehen, besteht erst mit der Möglichkeit einer digitalen Veröffentlichung. Das Museum lädt Sie ab heute ein, durch die Sammlung zu scrollen und wünscht viel Spaß!
[Franziska Helmenstein, wissenschaftliche Forschungsvolontärin am LVR-LandesMuseum Bonn]
Die Gemälde in alphabetischer Reihenfolge
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Achenbach, Oswald: Ansicht von Ariccia mit Viadukt, nach 1857, H. 50 x B. 60, Öl auf Leinwand.
Inv.Nr. D.1109,0-1, Dauerleihgabe der Bundesrepublik Deutschland, Eingang 1966. Informationen zur Provenienz von Objekten aus Bundesbesitz finden Sie hier.
Foto: J. Vogel, LVR-LandesMuseum Bonn.

Begas, Carl: Zwei Mädchen auf dem Berge (Die zwei Schwestern), vor 1854, H. 56,6 cm x B. 63 cm, Öl auf Leinwand.
Inv.Nr. 1985.33,0-1, Eingang 1985.
Foto: J. Vogel, LVR-LandesMuseum Bonn.

Boettcher, Christian Eduard: Heimkehr vom Schulfest (Maitag), 1852, H. 97,5 cm x 131,5 cm, Öl auf Leinwand.
Inv.Nr. 1970.248,0-1, Eingang 1970.
Foto: J. Vogel, LVR-LandesMuseum Bonn.

Deutscher Maler: Portrait des Philipp Houben, 1853, H. 52 cm x B. 37,5, Öl auf Leinwand.
Inv.Nr. 1956.61,0-1, Eingang 1956.
Foto: J. Vogel, LVR-LandesMuseum Bonn.

Hildebrandt, Ferdinand: Der kranke Ratsherr, 1833, H. 145 cm x B. 115 cm, Öl auf Leinwand.
Inv.Nr. 1970.299,0-1, Eingang 1970.
Foto: J. Vogel, LVR-LandesMuseum Bonn.

Hübner, Carl Wilhelm: Die schlesischen Weber, 1844, H. 119 cm x B. 158 cm, Öl auf Leinwand.
Inv.Nr. 1981.57,0-1, Eingang 1981.
Foto: J. Vogel, LVR-LandesMuseum Bonn.

Huth, Theodor: Blick auf Altenahr mit der Burgruine Are, 1842, H. 72 cm x B. 88 cm, Öl auf Leinwand.
Inv.Nr. 1963.1186,0-1, Eingang 1963.
Foto: J. Vogel, LVR-LandesMuseum Bonn.

Kehren, Joseph: Gefangennahme Christi, vor 1880, H. 24,3 cm x B. 36,5 cm, Öl auf Leinwand.
Inv.Nr. D.29633,0-0, Dauerleihgabe Familie Kehren.
Foto: J. Vogel, LVR-LandesMuseum Bonn.

Krevel, Louis: Bildnis der Henriette Stumm, 1836, H. 104,3 cm x B. 80,7 cm, Öl auf Leinwand.
Inv.Nr. 1986.48,0-1, Eingang 1986.
Foto: J. Vogel, LVR-LandesMuseum Bonn.

Lessing, Karl Friedrich: Das Totenmaar mit dem brennenden Ort Weinfeld, vor 1880, H. 88,5 cm x B. 121 cm, Öl auf Leinwand.
Inv.Nr. 1989.242,0-1, Eingang 1989.
Foto: J. Vogel, LVR-LandesMuseum Bonn.

Lessing, Karl Friedrich: Landschaft mit Pilger, 1866, H. 82,6 cm x B. 123 cm, Öl auf Leinwand.
D.1109,0-1, Dauerleihgabe der Bundesrepublik Deutschland, Eingang 1966. Informationen zur Provenienz von Objekten aus Bundesbesitz finden Sie hier.
Foto: J. Vogel, LVR-LandesMuseum Bonn.

Manskirsch, Franz Josef: Romantische Rheinlandschaft mit Burgruine Fürstenberg, 1805, H. 76 cm x B. 111 cm, Öl auf Leinwand.
Inv.Nr. 1990.544,0-1, Eingang 1990.
Foto: J. Vogel, LVR-LandesMuseum Bonn.

Meister, Simon: Mädchenbildnis, 1823, H. 56 cm x 44,5 cm, Öl auf Leinwand.
Inv.Nr. 1960.75,0-1, Eingang 1960.
Foto: J. Vogel, LVR-LandesMuseum Bonn.

Müller, Carl: Anna und Maria (Die Unterweisung Mariens), 1879, H. 22,1 cm x B. 11,5 cm, Öl auf Papier.
Inv.Nr. 1965.370,1-1, Eingang 1965.
Foto: J. Vogel, LVR-LandesMuseum Bonn.

Nerenz, Wilhelm: Der Ritter kommt zum Goldschmied, 1833, H. 52 cm x B. 41 cm, Öl auf Eichenholz.
Inv.Nr. 1995.84,0-1, Eingang 1995.
Foto: J. Vogel, LVR-LandesMuseum Bonn.

Pulian, Gottfried Johann: Andernach mit Minoritenkirche Rhein, Leutesdorf und Hammerstein, 1866, H. 78,5 cm x B. 98 cm, Öl auf Leinwand.
Inv.Nr. 1961.627,0-1, Eingang 1961.
Foto: J. Vogel, LVR-LandesMuseum Bonn.

Schadow, Friedrich Wilhelm von: Pietas und Vanitas (Allegorie), 1840-42, H. 194 cm x B. 144 cm, Öl auf Leinwand.
Inv.Nr. 1964.1451,0-1, Eingang 1964.
Foto: J. Vogel, LVR-LandesMuseum Bonn.

Schirmer, Johann Wilhelm: Italienische Waldlandschaft, um 1845, H. 121 cm x B. 130 cm, Öl auf Leinwand.
Inv.Nr. 1979.1103,0-1, Eingang 1979.
Foto: J. Vogel, LVR-LandesMuseum Bonn.

Schroedter, Adolph: Rheinisches Wirtshausleben, 1833, H. 58 cm x B. 70,5 cm, Öl auf Leinwand.
Inv.Nr. 1967.282,0-1, Eingang 1967.
Foto: J. Vogel, LVR-LandesMuseum Bonn.

Stanfield, Clarkson: Der Rhein bei Koblenz mit dem Ehrenbreitstein, um 1835, H. 64 cm x B. 99, Öl auf Leinwand.
Inv.Nr. 1960.3,0-1, Eingang 1960. Foto: J. Vogel, LVR-LandesMuseum Bonn.

Stanfield, George Clarkson: Cochem an der Mosel, 1861, H. 76 cm x B. 127, Öl auf Leinwand.
Inv.Nr. 1965.232,0-1, Eingang 1965.
Foto: J. Vogel, LVR-LandesMuseum Bonn.

Stiegel, Eduard: Bacharach mit Peterskirche und Wernerkapelle, 1873, H. 77 cm x B. 110 cm, Öl auf Leinwand.
Inv.Nr. D.1403,0-1, Dauerleihgabe der Freunde und Förderer des LVR-LandesMuseums Bonn e.V. Wilhelm-Dorow-Gesellschaft, Eingang 1987.
Foto: J. Vogel, LVR-LandesMuseum Bonn.

Unterberger, Franz Richard: „Die goldene Meile“ Der Rhein bei Remagen mit der Apollinariskirche, 1873-75, H. 89,5 cm x 139 cm, Öl auf Leinwand.
Inv.Nr. 1968.111,0-1, Eingang 1968.
Foto: J. Vogel, LVR-LandesMuseum Bonn.
Fußnote
1 Fritz Goldkuhle: Neuerworbene Gemälde des 16. Bis 19. Jahrhunderts im Rheinischen Landesmuseum, in: Bonner Jahrbücher, 166, Bonn 1966, 474-517, 475.
Literatur
Bettina Baumgärtel (Hrsg.): Die Düsseldorfer Malerschule 1819–1918. Ausstellungskatalog, 2 Bde., Petersberg 2011.
Bettina Bouresh: Die Neuordnung des Rheinischen Landesmuseums Bonn 1930-1939. Zur nationalsozialistischen Kulturpolitik der Rheinprovinz, (Kunst und Altertum am Rhein, Bd. 141), Köln 1996.
Walter Cohen: Hundert Jahre Rheinischer Malerei, (in: Walter Cohen Hrsg.: Kunstbücher Deutscher Landschaften), Bonn 1924.
Fritz Goldkuhle: Neuerworbene Gemälde des 16. Bis 19. Jahrhunderts im Rheinischen Landesmuseum, in: Bonner Jahrbücher, 166, Bonn 1966, 474-517.