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Gastblogger LVR-LandesMuseum Bonn

Clara Peeters

Pionierin der niederländischen Stilllebenmalerei oder unterrepräsentierte „Schattenfrau“?

Getragen vom Wohlstand des Landes, wurden in den Niederlanden des 17. Jahrhunderts jährlich über 70.000 Bilder produziert. Die große Anzahl als auch die unterschiedliche Qualität der Bilder sorgten dafür, dass die Gemälde nicht nur die Häuser reicher Handelsherren zierten, sondern auch in Bauernstuben zu finden waren. Doch wer verbirgt sich hinter der Erschaffung all dieser großartigen Werke?

Künstlerinnen in den Niederlanden des 17. Jahrhunderts

Zahlreiche Dokumente geben Aufschluss über die Herkunft, Urheberschaft und die Auftraggeber vieler Gemälde. Um 1650 arbeiteten um die 700 Maler in den Niederlanden. Namen wie Jan Vermeer oder Peter Paul Rubens sind überall bekannt. Aber sind es wirklich nur Maler, die für die zahlreichen Gemälde verantwortlich waren oder verbergen sich hinter der Produktion dieser Masse an Bildern auch Malerinnen? Fest steht, dass die Malerei und deren Rezeption in der Frühen Neuzeit männlich dominiert waren. Die Organisation in Gilden und Zünften führte dazu, dass Künstlerinnen und ihr Wirken kaum bekannt waren oder nur umrisshaft sichtbar gemacht wurden. Als Mitglied in einer Gilde banden sich Künstler an eine Stadt und wurden dort durch Ausschluss der Konkurrenz gefördert. Jedem Gildemitglied war das Recht vorbehalten, seine Werke auf dem freien Kunstmarkt zu verkaufen. Die Mitgliedschaft bot außerdem die Möglichkeit, eine Werkstatt zu eröffnen und dort Lehrlinge auszubilden. Diese durften ihre Werke jedoch nicht selbst signieren, sodass die Gemälde automatisch in den Besitz ihrer Lehrer übergingen. Die Zunftbestimmungen sahen zudem vor, dass Frauen nur imAusnahmefall – als Witwe oder für den minderjährigen Sohn – Mitglied einer Gilde werden konnten. Das bedeutet, dass die Zugehörigkeit zum männlichen Geschlecht die zwingende Voraussetzung zur Erlangung des Meisterrechtes war. Gebildete, aus reichen Familien stammende Frauen mit künstlerischen Ambitionen erhielten ihre Ausbildung in der Regel von privaten Lehrern. So blieb ihre künstlerische Laufbahn unerkannt und im privaten Rahmen gehalten, abgeschottet von der Kunstgeschichtsschreibung.

Diese Faktoren machen es sehr schwierig, anhand schriftlicher Quellen das künstlerische Schaffen von Frauen in den Niederlanden des 17. Jahrhunderts und ihren Anteil am Erfolg nachzuweisen. Trotzdem ist anzunehmen, dass in fast allen Werkstätten Frauen anonym und informell im Hintergrund mitarbeiteten und es weitaus mehr künstlerisch aktive Frauen gab, als heute bekannt ist.

Stillleben – ein weibliches Genre?

Schaut man sich die wenigen Gemälde an, die nachweisbar aus Frauenhand entstanden sind, lässt sich schnell erkennen, dass es sich bei den Sujets häufig um Stillleben oder Porträts handelt. Woran liegt das?

Die Gattung der Stillleben-, aber auch die der Porträtmalerei lagen außerhalb des von den Malerzünften reglementierten Bereichs. Als vermeintliche Randgebiete der Kunst wurden sie zu den Freien Künsten gerechnet und unterlagen nicht der Kontrolle durch die Zünfte. Zudem erforderten die kleinformatigen Stillleben nicht nur weniger körperliche Kraft, auch bot den Frauen das Studium der leblosen Gegenstände im Gegensatz zur Darstellung der menschlichen Figur, die durch jahrelanges Aktstudium erlernt und ihnen daher verwehrt wurde, Zugang zur Kunst. Mit der Fokussierung auf die Stillleben- und Porträtmalerei hatten Frauen die Möglichkeit, die Erwartungen der Gesellschaft, die von strikten Verhaltensvorgaben wie weiblicher Tugendhaftigkeit, Bescheidenheit und Sittsamkeit begleitet wurden, mit dem Künstlerberuf zu vereinen.

Doch nicht nur für Künstlerinnen war das Stillleben ein beliebtes Genre. Die Stilllebenmalerei war in der niederländischen und flämischen Kunst hoch angesehen und befriedigte den wachsenden bürgerlichen Markt, der nach kleinformatigen Gemälde, die in der häuslichen Umgebung präsentiert werden konnten, verlangte. Eine dieser hervorragenden Stilllebemalerinnen, die in der Kunstproduktion der Niederlande des 17. Jahrhunderts mitwirkte, war Clara Peeters.

Verheiratet mit der Kunst: Clara Peeters

Über die Künstlerin Clara Peeters ist nicht viel bekannt. Da es keine gesicherten Schriftquellen und Dokumente zu ihrer Person gibt, können weder Aussagen zu ihrer künstlerischen Ausbildung gemacht werden, noch ist belegt, wo sie geboren wurde und aus welcher Familie sie stammte. Die Forschung geht jedoch davon aus, dass sie überwiegend in Antwerpen tätig war. Um herauszufinden, in welchem Künstlerkreis sie dort gearbeitet oder bei welchem Maler sie gelernt haben könnte, werden die ihr zugeschriebenen Gemälde hinsichtlich Malweise und Objektwahl untersucht. Ergebnisse dieser Untersuchungen zeigen Ähnlichkeiten zu Gemälden des Stilllebenmalers Osias Beert aber auch Jan Brueghel dem Älteren, die nahelegen, dass sie mit deren Werkstätten vertraut gewesen sein könnte. Hinweise, die Vergleiche mit der Malweise der beiden bekannten Künstler zulassen, liefern zum Beispiel die mit wenig Überschneidungen dargestellten Gegenstände, aber auch die klare Tiefe, die die Räume ihrer Stillleben auszeichnet.

Zwei Gemälde, die Clara Peeters mit Sicherheit zugeschrieben werden können, sind noch bis zum 19. Februar im LVR-LandesMuseum Bonn in der Ausstellung „Augenlust? Niederländische Stillleben im Detail“ zu sehen. Dabei handelt es sich um das „Stillleben mit Käse“, das um 1615 entstanden ist und das kleine „Hochzeitsstillleben“, das auf 1607/1609 datiert wird.

Wie können wir bei diesen beiden Werken jedoch sicher sein, dass sie von der Künstlerin stammen?

Clara Peeters macht es uns leicht, indem sie sich in beide Gemälde einschreibt. Dabei spielt das Thema der Hochzeit eine entscheidende Rolle. Das „Hochzeitsstillleben“ verweist sowohl durch den Titel, als auch durch die dargestellten Gegenstände auf das eheliche Ereignis. Neben dem Ring deuten auch die den Rosmarinzweig schmückenden Ornamente in Form von Erdbeeren auf eine Hochzeit hin – die Anhänger wurden am Kleid getragen oder als Dekoration des Hochzeitsessens verwendet und der Braut als Geschenk überlassen. Das im „Stillleben mit Käse“ dargestellte und leicht über die Tischkante hervorragende Messer wird als Brautmesser identifiziert. Diese Art von Messer und die dazugehörige Gabel wurden zu Hochzeiten als Geschenk übergeben und befinden sich heute häufig in Sammlungen der Alltagskultur.

Was ist aber das Besondere an dem von der Künstlerin verhandelten Thema der Hochzeit? Wer ist die Braut und auf welche Hochzeit wird überhaupt Bezug genommen? In beide Arrangements von Hochzeitsgegenständen schreibt sich Clara Peeters ein. Im Brautmesser ist deutlich die Gravur ihres Namens zu lesen. Das Zuckergebäck auf dem Teller des „Hochzeitsstillleben“ formt ihre Initialen. Die Interpretation, Clara Peeters deutet hier an, selbst mit der Kunst verheiratet zu sein und sich dieser vollkommen verschrieben zu haben, liegt auf der Hand.

Als Beweis ihres eigenen Könnens und ihrer Berufung als Künstlerin verwendet Peeters jedoch noch ein weiteres Element der Einschreibung. Bei genauem Hinsehen kann man das Konterfei der Künstlerin in den beiden Werken erkennen – als gespiegeltes Selbstporträt. Im „Stillleben mit Käse“ findet es sich auf dem Metalldeckel des Steinkrugs, im „Hochzeitsstillleben“ ist es – etwas deutlicher – auf dem Kerzenständer zu sehen. Mit diesen subtilen Verweisen nimmt sie eine Vorreiterrolle ein: Das Selbstporträt in einer Spiegelung wurde zu einem bekannten Phänomen, dem sich vermehrt Künstlerinnen annahmen. Die Selbstinszenierung innerhalb einer Spiegelung und die damit einhergehende Anwesenheit im Bild kann als Zeichen für ein erstarktes Selbstbewusstsein, aber auch eine Sichtbarmachung der eigenen Fähigkeiten gedeutet werden.

„Schattenfrauen“

Beschäftigt man sich mit Künstlerinnen in der Frühen Neuzeit, begegnet man oft dem Begriff der „Schattenfrauen“. Er beschreibt das Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen in der Kunstgeschichtsschreibung, das sich bis in die Gegenwart zieht und leider noch heute große Aktualität besitzt. Nicht nur stehen Frauen im Schatten ihrer männlichen Künstlerkollegen. Auch müssen sie sich bis heute einer Kritik unterziehen, die unterschwellig von der Geschlechterfrage überschattet ist. Viele Werkbeschreibungen sind von Weiblichkeitsklischees durchzogen und Malstil als auch Themenwahl werden an das Geschlecht gebunden. Diese Problematik findet sich auch bei Clara Peeters. Obwohl ihre Werke von einer sehr großen künstlerischen Fähigkeit zeugen, wurde sie von ihren Zeitgenossen und schließlich auch von der Kunstgeschichtsschreibung als weibliche Künstlerin nicht beachtet, sodass der Begriff der „Schattenfrau“ ebenfalls auf sie anzuwenden ist. Innerhalb eines von Männern dominierten Kunstmarkt musste sie sich ihren Weg ohne öffentliche Unterstützung ebnen und ihre künstlerische Laufbahn kann bis heute nicht wissenschaftlich nachvollzogen werden. Trotzdem gilt Clara Peeters als Pionierin der niederländischen Stilllebenmalerei des 17. Jahrhunderts, deren großartige Leistung in den ihr zugeschriebenen Werken unverkennbar ist. Die Frage, ob Clara Peeters nun als Pionierin der Stilllebenmalerei oder als „Schattenfrau“ charakterisiert werden sollte, kann also nicht eindeutig beantwortet werden. Die Künstlerin kann weder nur als Pionierin noch ausschließlich als unterrepräsentierte „Schattenfrau“ beschrieben werden. Vielmehr treffen beide Rollen auf sie zu. In Hinblick auf die gegenwärtige Forschung zu Künstlerinnen sollte die Überlegung in Betracht gezogen werden, den Begriff der Künstlerin auf unterschiedliche Berufsfelder zu erweitern. Über die Erschließung allgemeiner Tätigkeitsbereiche, in denen Frauen aktiv waren – als Werkstattmitarbeiterinnen, Nachlassverwalterinnen oder allgemeine Partizipatorinnen im Kunstmarkt –, können differenziertere Aussagen über ihre Leistungen getroffen und Frauen sichtbar gemacht werden, die bislang im Schatten standen.

[Maike Biebinger, wissenschaftliche Volontärin, LVR-LandesMuseum Bonn]


Augenlust? Niederländische Stillleben im Detail“ nur noch bis zum 19. Februar 2023 im LVR-LandesMuseum Bonn!

Weiterführende Literatur

Linda Nochlin: Why Are There No Great Women Artists? In: Vivian Gornick, Barbara Moran (Hrsg.): Woman in Sexist Society. Studies in power and powerlessness. New York 1971, S. 344–366.

Alejandro Vergara (Hrsg.): The Art of Clara Peeters, Ausst.-Kat., Museo Nacional del Prado, Madrid 2016.

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