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Über die Geheimnisse der Restaurierung

„Achtung Kunst!“ – das Motto des 4. Europäischen Tages der Restaurierung am Sonntag, den 10. Oktober 2021 ist ganz wörtlich zu verstehen. Denn die Restaurierungswerkstätten des LVR-LandesMuseum Bonn öffnen ihre Türen und führen interessierte Besucher*innen durch die Räume, die normalerweise für die Öffentlichkeit verschlossen sind. Aus reiner Vorsicht: Denn hier wird an teilweise jahrtausendealten Objekten gearbeitet, Gemälde werden gereinigt und Exponate für Ausstellungen vorbereitet. Thea Schuck (TS) und Ronja Fröhlich (RF) sind Volontärinnen in den Restaurierungswerkstätten des LVR-LandesMuseum Bonn und haben den Europäischen Tag der Restaurierung mitorganisiert. Wir haben sie zum Gespräch getroffen, um mehr über ihre Arbeit zu erfahren.

Hallo Thea, hallo Ronja, schön, dass Ihr Zeit für dieses Interview habt. Stellt Euch zu Beginn doch einmal vor.

TS: Hallo, ich heiße Thea Schuck und arbeite als wissenschaftliche Volontärin in der Restaurierungswerkstatt des LVR-LandesMuseum Bonn. Hier restauriere und konserviere ich vor allem archäologische Objekte, die bei Ausgrabungen im Rheinland gefunden wurden.

RF: Hallo, ich bin Ronja Fröhlich und ebenfalls wissenschaftliche Volontärin in der Restaurierung am LVR-LandesMuseum in Bonn. Mein Schwerpunkt ist die Restaurierung von Gemälden, gefassten Holzskulpturen und modernen Objekten.

„Achtung Kunst!“, so lautet das diesjährige Motto zum Europäischen Tag der Restaurierung, der am 10.10.2021 stattfindet. Über welche Kunstgüter könnte man aktuell bei Euch in der Restaurierung stolpern?

TS: Bei uns in der archäologischen Restaurierung trifft man eher auf Kulturgüter als auf Kunstobjekte. Das sind die unterschiedlichsten Dinge. Aktuell sind hier zum Beispiel ein riesiges römisches Mosaik, frühmittelalterliche Metallobjekte oder Teile von Ledergewändern aus der frühen Neuzeit zu finden.

RF: Bei uns gibt es außerdem einen wilden Mix aus verschiedenen kunstgeschichtlichen Objekten vom Mittelalter bis zur Moderne. Aktuell haben wir viele Objekte des Künstlers Leo Breuer, einem lokalen Künstler des Rheinlandes, aber auch mittelalterliche Holztafeln oder niederländische Gemälde aus dem 17. Jahrhundert.

Welchen Stellenwert hat die Restaurierung im LVR-LandesMuseum?

TS: Die Restaurierung ist ein wichtiger und maßgeblicher Teil des Museums. Der grundlegende Erhalt der Stücke, die wissenschaftliche Auswertung und Forschung, aber auch die Ausstellungen wären ohne die Restaurierung nicht möglich.

RF: Wir arbeiten dabei immer im engen Austausch mit anderen Fachbereichen zusammen, wie zum Beispiel der Kunstgeschichte oder Ausstellungstechnik, die sich alle für das Museum ergänzen müssen. 

Einblick in das Restaurierungsatelier für Gemälde, gefasste Holzskulpturen und Moderne.
Einblick in das Restaurierungsatelier für Gemälde, gefasste Holzskulpturen und Moderne. Foto: J. Vogel, LVR-LandesMuseum Bonn.

Was macht Euch in der Restaurierungswerkstatt im LVR-LandesMuseum Bonn am meisten Spaß?

TS: Die große Abwechslung macht mir am meisten Spaß, es wird nie langweilig! An einem Tag legt man ein Objekt frei, am nächsten schreibt man einen Artikel zu Forschungsergebnissen und dann kommt ein Ausstellungsaufbau.

RF: Spaß macht auch mit den Kolleg*innen im Austausch zu stehen. Das Volontariat bietet die Möglichkeit, eine Art Ausbildungsverhältnis zu haben und damit in viele verschiedene Bereiche hineinschnuppern zu können, Erfahrungen zu sammeln, Kolleg*innen nach ihrer langjährigen Berufspraxis zu befragen und ganz viel für die eigene Zukunft zu lernen.

Wie wird man eigentlich Restaurator*in?

TS: Der Weg in die Restaurierung ist relativ lang. Voraussetzung ist das Abitur und natürlich genügend Motivation. Damit kann man sich einen Praktikumsplatz in der entsprechenden Fachrichtung suchen (Restaurierung von archäologischen Materialien, Gemälden, Papier, Textil, Möbeln usw.). Mindestens ein Jahr Vorpraktikum ist vorgeschrieben. Dabei lernt man die wichtigsten Grundlagen, den Umgang mit verschiedenen Objekten und wird auf das Studium mit seiner Aufnahmeprüfung vorbereitet. Dem Bachelorabschluss folgt fast immer auch ein Masterstudium. Neben Vorlesungen und Seminaren zu Werkstoffkunde, Chemie, geisteswissenschaftlichen Fächern, Untersuchungsmethoden usw. gibt es immer einen praktischen Anteil, in dem man an Originalen arbeitet. Praktika dürfen währenddessen natürlich auch nicht fehlen. Wer möchte, kann anschließend ein wissenschaftliches Volontariat machen, so wie Ronja und ich momentan.

Einblick in die Restaurierungswerkstatt für archäologische Objekte. Tisch mit Scherben und anderen Funden.
Einblick in die Restaurierungswerkstatt für archäologische Objekte. Foto: J. Vogel, LVR-LandesMuseum Bonn.

Die Sammlung des LVR-LandesMuseum umfasst ja Objekte aus einem Zeitraum von über 400.000 Jahren. Darunter archäologische Funde, Kunstwerke aus verschiedenen Epochen und Objekte aus den unterschiedlichsten Materialien. Wie werden die Arbeitsbereiche in der Restaurierung aufgeteilt?

RF: Die Arbeitsbereiche werden im LVR-LandesMuseum in die Bearbeitung von archäologischem Kulturgut und kunstgeschichtlichen Objekten unterteilt. Die archäologische Restaurierung hat Mitarbeiter*innen aus verschiedenen Fachbereichen, die sich beispielsweise um Steine, Mosaike, Holz-, Leder- oder Glasobjekte kümmern. In der Kunstgeschichte befassen wir uns mit Objekten, die etwa seit dem Mittelalter bis heute entstanden sind. Dabei geht es dann um Objekte wie Gemälde, gefasste Holzskulpturen und moderne Kunst.

Überreste eines Kleidungsstücks aus Leder.
Die Goldlederkasel nach der Restaurierung. Foto: J. Vogel, LVR-LandesMuseum, Bonn.

Welches ist das spannendste Objekt, an dem Ihr bislang gearbeitet habt?

TS: Das ist ein ganz aktuelles Objekt hier in der Werkstatt: Ein großes, stark verziertes Lederstück wurde in einem Grabkontext geborgen. Niemand wusste, worum es sich handeln könnte. Deshalb kam neben der eigentlichen Restaurierung und Konservierung noch die Recherche und der Austausch mit Kolleg*innen aus den unterschiedlichsten Häusern hinzu. Tatsächlich handelte es sich um liturgische Gewänder aus Goldleder, etwas ganz Besonderes! Um das Objekt besser zu verstehen, beschäftige ich mich auch mit seiner Herstellung und versuche sogar, selbst ein Stück Goldleder herzustellen. Darüber werde ich auch bald hier auf dem Blog berichten.

Ein rundes Objekt aus Plexiglas.
Meditationsmühle des Künstlers Chargesheimer, Zustand vor der Restaurierung. Foto: J. Vogel, LVR-LandesMuseum Bonn.

RF: Bei mir ist es ein kinetisches Objekt, das ich seit dem Beginn meines Volontariats bearbeite. Das Objekt stammt von einem Künstler aus Köln, aus den 1970er Jahren. Es besteht aus einer Kunststoffkugel, bei der durch einen Motor innenliegende kleine Prismen bewegt werden können. Durch die Lichtreflektion werden so kleine, bunte Lichtspiele an die Wand geworfen. Das Objekt ist besonders spannend, weil der Motor nicht mehr funktioniert und die Kunststoffoberfläche teilweise stark beansprucht war, was den restauratorischen Eingriff notwendig macht.  

Auf welches Werkzeug könnt ihr bei Eurer Arbeit nicht verzichten?

TS: Hmm, ich würde sagen, ein Skalpell darf auf keinen Fall fehlen. Ob zum Entfernen von Erdresten, der Freilegung von Metalloberflächen oder zum Bau von Verpackungen – ein Skalpell wird überall gebraucht!

RF: Besonders wichtig finde ich die Lupenbrille, eine Handlampe und vielleicht noch den Pinsel, weil viele Objekte erstmal eine genaue Betrachtung und eine erste Reinigung brauchen, bevor wir weiter mit ihnen arbeiten können.

Was vermutet man eigentlich nicht in einer Restaurierungswerkstatt, ist aber wichtiger Bestandteil Eurer Arbeit?

TS: Viele Besucher*innen wundern sich über den abgeschirmten, bunkerartigen Raum im Keller. Hier werden unter anderem Röntgenbilder von Objekten gemacht, wie man sie aus der Medizin kennt. Damit können wir in Objekte „reingucken“ und bekommen so schon viele Informationen, die für die weitere Bearbeitung wichtig sind.

Welche Aspekte sind bei der Präsentation von Museumsobjekten wichtig?

RF: Wichtig ist vor allem die Kontrolle der Umgebungsparameter. Das heißt bei uns Präventive Konservierung. Dabei wird festgestellt, wie viel Lichtstrahlung an ein Objekt gehen darf und wie empfindlich es ist. Außerdem die Fragen, welche Feuchtigkeitsbedingungen für das Objekt nötig sind, wie die Klimastabilität oder Präsentationsmöglichkeiten sind. Kann ein Objekt zum Beispiel in einer Vitrine präsentiert oder montiert werden. Das alles sind wichtige Aspekte, die für die Präsentation wichtig sind.

Rollwagen mit verschiedenen Geräten für die Konservierung. Wie zum Beispiel Pinsel, Taschenlampe und Stirnlampe.
Die Präventive Konservierung, die Anpassung der Umgebungsparameter, ist ein wichtiger Teil der Präsentation von Museumsobjekten. Foto: J. Vogel, LVR-LandesMuseum Bonn.

Auf was können sich die Besucher*innen am Tag der Restaurierung am Sonntag, den 10. Oktober am meisten freuen?

TS: Auf ganz viel! Ich glaube, die Mischung macht’s. Kolleg*innen aus ganz verschiedenen Bereichen stellen ihre Arbeit vor. Daran kann man gut sehen, wie unterschiedlich Restaurierung sein kann: große Steinobjekte, Leinwandgemälde und Millimeter kleine Glasscherben haben alle ihre eigenen Ansprüche. Da ist eine einstündige Führung wahrscheinlich viel zu kurz!

RF: Genau, auf unsere Tour durch die Restaurierungswerkstätten, die wir glücklicherweise wieder durchführen dürfen. Wir sind immer ganz begeistert, wenn wir anderen Einblicken in unsere Arbeit gewähren können.

Die Fragen stellte Carolin Muser.


Hier findet ihr außerdem noch ein Video, in dem Thea und Ronja ihr Arbeit als Restauratorinnen vorstellen: Insight Museum. Rundgang durch die Restaurierungsabteilung

Anlässlich des 4. Europäischen Tages der Restaurierung am Sonntag, den 10. Oktober gibt es im Rahmen einer Führung die Möglichkeit, die Restaurierungswerkstätten zu besichtigen (jeweils um 11 Uhr, 13 Uhr und 15 Uhr). Der Vortrag um 15 Uhr der Restauratorin Marina Westkamp beleuchtet ihre Arbeit an einer römischen Kugelbauchflasche.

Tickets unter: tickets.lmb.lvr.de

2 Antworten auf „Über die Geheimnisse der Restaurierung“

Hallo zusammen.
Danke für den Einblick. Dann hoffe ich mal, das der LVR seinen Volontärinen ein angemessenes Volontariats-„gehalt“ zahlt. Oder ist das schon ein Widerspruch in sich 🙂

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Lieber Herr Wittwer,

wir freuen uns, dass Ihnen das Interview mit unseren Restaurierungsvolontärinnen gefallen hat.
Der Landschaftsverband Rheinland hat sich bereits vor einigen Jahren der Initiative Vorbildliches Volontariat des Deutschen Museumsverbund angeschlossen. Ein Ziel dieser Initiative ist es, dass Volontierende auch ein angemessenes Gehalt bekommen. Im Landschaftsverband Rheinland werden Volontierende entsprechend einer tariflichen Einstufung entlohnt. Im LVR liegen das damit gezahlte Gehalt im bundesdeutschen Vergleich über dem Durchschnitt.

Mit freundlichen Grüßen
Stephanie Müller

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