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Rheinisches Original oder waschechte Schwäbin? Die Heilige Barbara im LVR-LandesMuseum Bonn

Sie fällt sofort auf: Eine goldene Lilienkrone schmückt ihren Kopf und ihr Gewand erstrahlt in Gold. So steht die Heilige Barbara im LVR-LandesMuseum Bonn derzeit im ersten Obergeschoss im Raum „Heilige“. Als ich den Raum betrat, weckte diese Figur sofort mein Interesse. In den vergangenen Monaten hatte ich mich im Rahmen meiner Masterarbeit nämlich umfangreich mit der Heiligen Barbara auseinandergesetzt. Darin untersuche ich das Armreliquiar der Beatrix von Holte im Domschatz Essen, das unter anderem Reliquien dieser Heiligen beherbergt. So stand schnell fest: Ich möchte der Heiligen Barbara im LVR-LandesMuseum Bonn einen Beitrag widmen.

Die Heilige Barbara an ihrem Platz in der Dauerausstellung des LVR-LandesMuseum Bonn im ersten Obergeschoss. Weitere Heiligenfiguren stehen neben ihr im Raum. Die Figur steht auf einem weißen Sockel in einer Vitrine. Rechts und links am Bildausschnitt sind Teile von anderen Figuren zu erkennen. Foto: A. Dämgen, LVR-LandesMuseum Bonn.
Die Heilige Barbara an ihrem Platz in der Dauerausstellung des LVR-LandesMuseum Bonn im ersten Obergeschoss. Weitere Heiligenfiguren stehen neben ihr im Raum. Foto: A. Dämgen, LVR-LandesMuseum Bonn.

Die 112 Zentimeter hohe Figur, die um 1430 angefertigt wurde, besteht aus Lindenholz und ist auf der Rückseite ausgehöhlt. Im 19. Jahrhundert gelangte sie in die Sammlung des Bonner Kunstliebhabers Carl Roettgen, dem auch die berühmte, ebenfalls heute im LVR-LandesMuseum zu sehende Pietá Roettgen gehörte. Als die Sammlung Roettgen 1912 nach dem Tod des Sammlers versteigert wurde, erwarb das LVR-LandesMuseum Bonn die damals als „mittelrheinisch“ bezeichnete Figur der Barbara. Allerdings kamen schnell Zweifel auf, ob diese Bezeichnung stimmt. Doch dazu später mehr.

Die christliche Jungfrau war eine Märtyrerin des 3. Jahrhunderts und zählt zu den sogenannten vierzehn Nothelfern. Ihr Gedenktag ist der 4. Dezember. Typisch ist für die Darstellung der Heiligen Barbara der Turm. Keiner anderen Heiligen wurde er als Attribut zugeordnet. So fehlt der Turm weder auf Gemälden noch bei Statuen dieser Heiligen und hilft, sie sofort zu identifizieren. Die Legende der heiligen Barbara berichtet nämlich, dass ihr Vater sie einst – wohl aus Eifersucht – in einem Turm gefangen hielt, um sie von der Außenwelt abzuschirmen. Außerdem wollte er so ihre Hinwendung zum Christentum verhindern.

Auf Gemälden kann der Turm als das Attribut der Heiligen Barbara im Hintergrund zu sehen sein oder am Rand stehen. In der Regel ist er jedoch Hauptbestandteil der Darstellung. Bei figürlichen Ausführungen steht er manchmal neben der Heiligen Barbara – dabei kann sie sich auf ihn stützen – oder aber, sie hält ihn in der Hand oder schultert ihn.

Die Figur ist frontal von vorne zu sehen. Der Betrachter steht vor der Vitrine. Die Figur selbst steht auf einem weißen Sockel in einer Vitrine. In der linken Hand hält sie den Turm. Die rechte Hand ist auf Hüfthöhe leicht ausgestreckt und hat den Anschein, als würde sie etwas umschließen. Foto: A. Dämgen, LVR-LandesMuseum Bonn.
Frontalansicht der Hl. Barabara wie sie nach einer umfangreichen Restuarierung (s.u.) im LVR-LandesMuseum Bonn ausgestellt ist. Schnell fällt das für sie typischen Attribut auf: der Turm. In der anderen, leeren Hand hat sich womöglich ein Palmzweig befunden – ein Symbol, das Märtyrer kennzeichnet. Foto: A. Dämgen, LVR-LandesMuseum Bonn.

Auf älteren Fotos ist bei der Heiligen Barbara in Bonn noch ein Palmzweig in ihrer rechten Hand zu sehen. Dieses Symbol macht in der christlichen Ikonografie einen Heiligen als Märtyrer kenntlich. Heute existiert dieses Attribut jedoch nicht mehr. Vielleicht war ursprünglich tatsächlich ein Palmzweig in der rechten Hand zu finden, der sicher getrennt von der Figur geschnitzt wurde und womöglich nur locker befestigt war und daher verloren ging. Es könnte sich aber auch um eine jüngere Zutat handeln, die zu einem späteren Zeitpunkt hinzugefügt und nach Ankauf durch das Museum wieder entfernt wurde. Die Haltung ihrer rechten Hand fällt jedenfalls auf und lässt vermuten, dass die Heilige Barbara einst etwas darin gehalten haben muss. Ebenfalls auffällig ist die große Aushöhlung an der Rückseite der Figur, die man beim Umrunden der Vitrine sieht.

Die Rückseite der Hl. Barbara, die auch in der Vitrine sichtbar ist. Die Rückseite der heiligen Barbara zeigt am Rücken eine Aushöhlung, die sich von den Füßen bis kurz unter den Schultern erstreckt. Das innere ist überwiegend schwarz, die Bearbeitung des Holzes ist durch Kerbungen und Schnitzereien zu erkennen. Foto: A. Dämgen, LVR-LandesMuseum Bonn.
Die Rückseite der Hl. Barbara, die eine deutlich sichtbare und große Aushöhlung aufweist. Hierbei handelt es sich allerdings nicht um eine Beschädigung, sondern um eine mittelalterliche Standardtechnik. Foto: A. Dämgen, LVR-LandesMuseum Bonn

Oft kommt bei Betrachtern die Frage auf, was es damit auf sich hat und ob die Figur beschädigt ist. Tatsächlich handelt es sich hierbei um eine mittelalterliche Standardtechnik, bei der das Zentrum des Stamms, die sogenannte Markröhre, weitgehend entfernt wird. Das soll vor allem verhindern, dass vom Mark ausgehend Risse im Holz entstehen, soll aber auch das Gewicht der Figur reduzieren. Doch Schäden vollständig verhindern kann diese Technik nicht: Holz ist ein Material, das auf Feuchtigkeitsveränderungen, Wärme und Kälte reagiert. So können Risse entstehen, Farben abplatzen und Weiteres. Auch bei der Heiligen Barbara im LVR-Landesmuseum waren (und sind) die Spuren und Schäden der Alterung zu sehen, wie auch die ihres Gebrauchs und ihrer wiederholten Überarbeitung oder Restaurierung über die Jahrhunderte: Risse ebenso wie alte Kittungen von Rissen; Fehlstellen in der Bemalung ebenso wie alte Retuschen von Fehlstellen und insbesondere Spuren der mehrfachen Neugestaltungen der Farben durch Übermalung und oft auch durch Abnahmen von früheren Farbschichten.

So wie auf dem linken Foto sah die Heilige Barbara in Bonn vor einigen Jahren aus, ehe sie im Zuge eines geförderten Restaurierungsprojektes umfassend untersucht und anschließend konserviert und restauriert werden konnte. Den Restaurator*innen des LVR-LandesMuseums Bonn gelang es dabei, die Spuren der über die Zeit entstandenen Schäden zu mildern und damit den Gesamteindruck der Figur für uns Betrachter*innen wieder erheblich zu verbessern. Die eigentlich sehr gute Qualität der Figur ist nun wieder viel klarer sichtbar. Übrigens wurde die Figur im Rahmen dieser Maßnahmen auch geröntgt. Sicher verbinden die meisten Leute mit dem Begriff „Röntgen“ Arztbesuche, doch diese Untersuchungsmethode ist ebenso beim Restaurieren von Kunstwerken wichtig: Es wird dabei zum Beispiel sichtbar, ob es Hohlräume in dem Objekt gibt, die auf ein Fach zur Aufbewahrung von Reliquien hindeuten, und manchmal sogar noch solche enthalten. Insbesondere aber kann das Röntgen ganz allgemein Aufschluss über verwendete Materialien sowie über die Zusammensetzung des Stückes und spätere Veränderungen geben. Einen umfangreichen Einblick in die Röntgenuntersuchung im Zuge der Restaurierung bekommt ihr in diesem Blogbeitrag. Im Falle der Heiligen Barbara lässt sich auf einem der Röntgenbilder zum Beispiel deutlich erkennen, dass die Lilienkrone einzeln geschnitzt und dann mit Nägeln befestigt wurde. Deutlich zeichnen sich die mittelalterlichen handgeschmiedeten Eisennägel auf der unten zu sehenden Röntgenaufnahme ab. (rot umrandet).

Außerdem ergab die Untersuchung der Heiligen Barbara unter anderem, dass der Turm aus einem Stück besteht und Teile des Fußbereichs spätere Ergänzungen sind. Als Ergänzungen erwiesen sich des Weiteren der untere Teil der Plinthe, auf der die Heilige Barbara steht, und wohl auch die Fingerspitzen der rechten Hand. Diese sind bei einer früheren Restaurierung angebracht worden.

Wie eingangs erwähnt wurde die Figur 1912 bei der Versteigerung der Sammlung Roettgen als „mittelrheinisch“ angeboten – ein Objekt also, dass für das Rheinische Landesmuseum schon aufgrund des vermeintlichen Entstehungsortes von Interesse war. Man darf wohl annehmen, dass auch der Bonner Sammler Roettgen, sie zuvor als „rheinisches Original“ erworben hatte. Doch stellte sich die Forschung schon einige Jahrzehnte später die Frage, ob die Figur wirklich mittelrheinisch sein kann. Schwäbische Vergleichsobjekte wiesen eine so große Ähnlichkeit zu der Heiligen Barbara in Bonn auf, dass in den 1960er-Jahren in Fachkreisen Zweifel aufkamen, ob man es hier wirklich mit einem rheinischen Original zu tun hatte. Nach umfangreicher Recherche war klar: Die Heilige Barbara ist eine waschechte Schwäbin. Im Bonner Landesmuseum ist sie seither mit den Angaben „Schwaben, um 1430“.

[Jill Mylonas, Praktikantin im LVR-LandesMuseum Bonn]

2 Antworten auf „Rheinisches Original oder waschechte Schwäbin? Die Heilige Barbara im LVR-LandesMuseum Bonn“

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