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Mariana Zell

Bon(n) voyage!

La ville rose – Die rosa Stadt. Spätestens als ich auf meinem Fußweg im Licht der Morgensonne durch die Stadt lief und schließlich am Captitol (Rathaus) mit seinen roten Backsteinen und rosa Marmorsäulen vorbei, fragte ich mich nicht mehr, warum die Stadt Toulouse diesen Beinamen bekam. Ich folgte weiter der Rue d‘Alsace-Lorraine, eine der vielen Einkaufsstraßen, und gelangte über eine kleine Seitengasse direkt zum Musée des Augustins. Noch einmal tief durchatmen und dann hinein. Nicht etwa als kulturinteressierte Besucherin und Touristin, sondern als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Restauratorin. Und wie kam ich zu dieser Herausforderung!?

Das Foto zeigt die Die Fassade des Capitole de Toulouse (Rathaus von Toulouse) bestehend aus rotem Backstein, verziert mit acht rosa Marmorsäulen. Foto: M. Zell
Die Fassade des Capitole de Toulouse (Rathaus von Toulouse) bestehend aus rotem Backstein, verziert mit acht rosa Marmorsäulen. Foto: M. Zell

Deutsch-französischer Volontärs-Austausch

Einmal im Jahr fördert das Deutsch-Französische Jugendwerk in Kooperation mit dem Haus der Geschichte in Bonn und der französischen Direction générale des patrimoines einen Austausch für insgesamt ca. 20 junge Museumsmitarbeiter*innen in Deutschland und Frankreich. Ziel ist nicht nur die heutzutage häufig geforderten interkulturellen Kompetenzen auszubauen und Sprachkenntnisse zu vertiefen, sondern vor allem auch die deutsch-französischen Verbindungen im Museums- und Kulturbereich zu fördern. Die Teilnehmer*innen des Programms werden dafür in unterschiedlichen Museen der Partnerländer untergebracht und haben die Möglichkeit sich vor, während und nach dem Programm über ihre Erfahrungen auszutauschen. Dabei sind die Organisator*innen auf die Unterstützung der jeweiligen Museen in Deutschland und Frankreich angewiesen. Das LVR-LandesMuseum Bonn befürwortet dieses Programm sowie den internationalen und fachlichen Austausch. Deshalb konnte ich für zweieinhalb Monate meinen Dienst als wissenschaftliche Volontärin in Bonn pausieren und die Arbeitswelt der französischen Museen kennenlernen.

Das Bild zeigt die Eingangstür zum Musée des Augustins in Toulouse. Foto: M. Zell.
Eingang des Musée des Augustins in Toulouse. Foto: M. Zell.


Da stand ich nun vor dem Museum und fragte mich, ob ich mich zurechtfinden und meine Sprachkenntnisse ausreichen würden. Doch für trübe Gedanken war keine Zeit. Der Direktor des Museums nahm mich euphorisch in Empfang und auch von den übrigen Kolleg*innen wurde ich herzlich ins Team aufgenommen. Sie waren mindestens genauso neugierig auf einen Austausch wie ich. Wobei dieser anfangs sehr einseitig verlief, denn sowohl der Mut als auch das Vokabular fehlten mir, um mich ausdrücken und mitteilen zu können. Doch das sollte sich schon bald ändern.

Das Musée des Augustins gilt als das Museum der Schönen Künste von Toulouse und ist eines der ältesten Museen Frankreichs. Die Ausstellungen selbst befinden sich, wie der Name verrät, in einem alten Augustinerkloster. Es ging durch das Dekret vom 2. November 1789 in das nationale Eigentum über. Schnell wurde beschlossen, hier ein Museum einzurichten, um Meisterwerke vor der Rache der Revolutionäre zu schützen. 1795 wurde schließlich ein provisorisches Museum des Südens der Republik in der Kirche eröffnet, das den Beginn des heutigen Musée des Augustins bildete.

Das Foto zeigt den Salle Romane mit Skulpturen und Kapitellen aus drei im 12. Jahrhundert sehr bedeutenden Kirchen in Toulouse. Die Szenographie stammt von Jorge Pardo. Foto: M. Zell
Blick in den Salle Romane mit Skulpturen und Kapitellen aus drei im 12. Jahrhundert sehr bedeutenden Kirchen in Toulouse. Szenographie – Jorge Pardo. Foto: M. Zell

Die Sammlung erstreckt sich heute über regionale und europäische Werke vom 12. bis Anfang des 20. Jahrhunderts. Einzigartig ist die Sammlung der Steinskulpturen aus dem 12. Jahrhundert, die aus drei in dieser Zeit sehr bedeutenden Kirchen in Toulouse stammen. Sie werden in dem von Denis Darcy, einem Schüler Viollet-le-Ducs, Ende des 19. Jahrhunderts im romanischen Stil errichteten Teil des Museums gezeigt, in dem sich ursprünglich das Refektorium des Klosters befand.
Die Augustinerkirche dient auch heute noch als Ausstellungsraum. In den Seitenkapellen werden Werke des 15. bis 17. Jahrhunderts präsentiert. Im Chor werden regelmäßig die Wechselausstellungen gezeigt.

Andere Länder andere Sitten – auch in der Museumsarbeit?

Als Restauratorin nahm ich im Musée des Augustins eine Sonderstellung ein. Viele Arbeitsabläufe sind auch in Frankreich nicht anders als in Deutschland. Die Aufgaben Sammeln, Bewahren, Forschen, Ausstellen und Vermitteln bilden auch hier die grundlegenden Säulen für die Arbeit im Museum. Um diese aufrechtzuerhalten, müssen die verschiedenen Abteilungen eng zusammenarbeiten. Doch eine Abteilung sucht man in Frankreich scheinbar vergeblich: Die Restaurierung! Zwar haben auch in Deutschland kleinere Museen keine eigene Abteilung für Restaurierung, doch ist es in Frankreich der Hauptteil der Museen, in denen diese Abteilung „fehlt“. Wie geht das? In Frankreich übernehmen häufig die Registrar*innen Aufgaben, die in Deutschland den Restaurator*innen zugeschrieben werden. Dabei geht es zum Beispiel um die Betreuung der Werke im Leihverkehr und bei Transporten im Haus. Das liegt unter anderem an der speziellen und auch schon länger existierenden Ausbildung für Registrar*innen in Frankreich. Für Maßnahmen der Konservierung und Restaurierung werden dann im Falle eines Falles jedoch freiberuflich arbeitende Restaurator*innen hinzugezogen.

La conservation préventive“ – Die präventive Konservierung

Ich konzentrierte mich also gar nicht auf die Restaurierung der Werke, sondern beschäftigte mich viel eher mit der Frage, wie das Museum kontinuierlich und langfristig für den Erhalt seiner Sammlung sorgen kann.

Einen wichtigen Aspekt der Restaurierung im Allgemeinen stellt die präventive Konservierung dar. Das bedeutet, ohne ein Kunstwerk zu berühren, für dessen möglichst langen Erhalt zu sorgen und mit Weitblick Schäden vorzubeugen, damit solche gar nicht erst entstehen. Dies kann das Sorgen für ein dauerhaft stabiles Klima sein, da viele Materialien, wie Holz, Leinwand oder Papier, aus denen unsere Kulturgüter bestehen, auf Feuchtigkeit reagieren. Ein zu feuchtes oder zu trockenes Klima kann dann zu Schäden führen. Licht – sei es Tageslicht oder das der Leuchtmittel in den Ausstellungsräumen – kann ebenfalls schädlich sein, da von ihm ausgehende ultraviolette Strahlung nicht nur die natürliche Alterung vieler Materialien beschleunigt, sondern auch Schäden verursachen kann, wie zum Beispiel das Ausbleichen eines Farbstoffes. Letztendlich muss bei der präventiven Konservierung alles in der direkten Umgebung der Kunstwerke, was negative Einflüsse auf den Erhalt der Werke hat und akute oder langfristige Schäden verursacht, berücksichtigt werden. Die Gefahren und ihre Schadenspotentiale müssen eingeschätzt und durch Verbesserung der Umgebungsbedingungen reduziert werden. Neben dem Klima und dem Licht kann es sich dabei auch um Schadstoffe, Schädlinge, Schwingungen durch Baumaßnahmen oder Konzerte, Transporte, Naturkatastrophen und vieles mehr handeln.

Das Foto zeigt einen Innenraum des Musée des Augustins. Zu sehen ist die Südwand der ehemaligen Augustinerkirche mit den nun darin befindlichen Museumsobjekten, Foto: M. Zell
Blick auf die Südwand der ehemaligen Augustinerkirche und den darin nun befindlichen Museumsobjekten. Foto: M. Zell

Was waren meine Aufgaben während des „séjour professionnel“?

Meine Aufgabe war es also, mit frischem Blick alles kritisch zu prüfen und zu hinterfragen. Zunächst machte ich mich mit den ausgestellten Werken und ihren Materialien vertraut sowie mit dem vorhandenen Konzept zu deren Erhalt. Ich begutachtete genauestens die Ausstellungsräume und die Architektur des denkmalgeschützten Klosters, die Umgebungsbedingungen und warf sogar einen kleinen Blick in die Zukunft des Museums. Ebenso wie im LVR-LandesMuseum Bonn finden nämlich auch im Musée des Augustins Umbauarbeiten zur Barrierefreiheit statt. Hier galt es herauszufinden, ob diese Änderungen wiederum Einfluss auf die Erhaltung der Sammlung haben.

Danach folgten eine Auswertung der Messungen des Raumklimas im vergangen Jahr, zahlreiche Messungen des Tageslichtes in den Ausstellungsräumen und lange Recherchen. So konnte ich die aktuelle Situation im Museum überblicken, um schließlich Vorschläge zur Verbesserung der Umgebungsbedingungen in den Ausstellungsräumen zu erarbeiten.

Das Foto zeigt den Chor der ehemaligen Augustinerkirche, der jetzt als Bereich für die Wechselausstellungen genutzt wird. Foto: M. Zell
Blick in den Chor, dem Bereich für die Wechselausstellungen, in der Augustinerkirche und dem heutigen Museum. Foto: M. Zell

Bei genauer Betrachtung der Fenster im Musée des Augustins konnte ich zum Beispiel feststellen, dass einige nicht aus Glas, sondern aus Kunststoff bestehen. Damit sie sich gut in das Bild des aus dem Mittelalter stammenden Klosters einfügen, erscheinen sie jedoch wie ein historisches Glas mit einer unebenen Oberfläche und kleinen darin eingeschlossenen Blasen. Eine mögliche Lösung, um die schädliche UV-Strahlung des Tageslichtes aus den Ausstellungräumen auszuschließen ist es, Folien mit entsprechendem Filter auf die Fensterscheiben aufzubringen. Auf unebene Kunststoffscheiben ist das jedoch problematisch. Für den UV-Schutz muss hier also eine andere Lösung gefunden werden. Eine Option wäre eine zweite Scheibe mit integriertem UV-Filter vor die vorhandenen Scheiben zu setzen. Dabei muss aber wieder berücksichtig werden, dass das historische Erscheinungsbild des Klosters nicht beeinträchtigt wird.

Am Ende des Arbeitsaufenthaltes war die Kommunikation dann auch nicht mehr nur einseitig, da sich meine Sprachkenntnisse verbessert hatten. Ich war in der Lage, Vorschläge zur Optimierung der präventiven Konservierung zu präsentieren und ihre Notwendigkeit zu begründen. Das Sprechen fiel mir deutlich leichter, die Sorge, mich nicht richtig auszudrücken war verflogen und selbst meine Gedanken wurden von der französischen Sprache beherrscht.

Das Foto zeigt einen Ausschnitt des Kreuzganges des Musee des Augustins (ehemaliges Augustinerkloster) vom Hof aus blickend. Foto: M. Zell
Blick in den Kreuzgang des Musee des Augustins (ehemaliges Augustinerkloster). Foto: M. Zell

Rückkehr und Ausblick

Mein Heimweg am letzten Arbeitstag war eher melancholisch. Ich ging ein letztes Mal durch die kleine Seitengasse Richtung Rue d‘Alsace-Lorraine, und warf einen letzten Blick auf das Capitole. Viel zu kurz war die Zeit. Umso wichtiger war es, jede Sekunde zu nutzen, um die deutsch-französische Beziehung zu stärken und die Museen enger zu vernetzen.

Bei einem kurzen Abschluss-Seminar konnten sich alle Teilnehmenden noch einmal intensiv über ihren Arbeitsaufenthalt austauschen. Alle waren sich einig, dass dieser Austausch ihr berufliches und privates Leben bereichert hat. Es bleibt nur zu hoffen, dass in Zukunft noch mehr junge Menschen die Möglichkeit haben, sich der Herausforderung zu stellen, ein Museum eines anderen Landes bei seiner Arbeit zu unterstützen, an dieser Aufgabe zu wachsen und einzigartige Erfahrungen zu sammeln.

Im nächsten Jahr besteht das Programm bereits seit 25 Jahren! Wer noch mehr erfahren möchte findet hier weitere Informationen.

[Mariana Zell, LVR-LandesMuseum Bonn]

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