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LVR-LandesMuseum Bonn

Eidechse, Schmetterlinge und eine mutige Naturforscherin der Frühen Neuzeit

Interview mit Dr. Katharina Schmidt-Loske
zur Sonderausstellung „Augenlust? Niederländische Stillleben im Detail“

Dr. Katharina Schmidt-Loske ist Wissenschaftliche Leiterin des Biohistoricums des Zoologischen Forschungsmuseums Alexander Koenig in Bonn. Bei der Entstehung unserer Sonderausstellung „Augenlust? Niederländische Stillleben im Detail“ unterstützte sie das Ausstellungsteam bei der Inszenierung der von dem Museum Koenig entliehenen Exponate und stellte sogar ein privates Sammlungsstück zur Verfügung.

LVR-LandesMuseum: Sie sind die Leiterin des Biohistoricums des Museums Koenig in Bonn. Wie sind Sie zu diesem Beruf gekommen und was genau ist das Biohistoricum?

Dr. Katharina Schmidt-Loske: Das Biohistoricum ist das Forschungsarchiv der Geschichte der Biologie und feiert im kommenden Jahr sein 25jähriges Jubiläum. Bei uns am Museum Koenig ist es seit 2008; zuvor war es in Neuburg an der Donau beheimatet. Ich leite das Biohistoricum seit 2008 und engagiere mich seit langem in der Deutschen Gesellschaft für Geschichte und Theorie der Biologie. Ich habe in Münster, Bonn und Frankfurt Biologie studiert und vor allem zu Schmetterlingen und Reptilien im Freiland geforscht. Bereits meine Doktorarbeit habe ich 2006 zu einer Frage der historischen Biologie geschrieben. Dort ging es um die „Tierwelt von Maria Sibylla Merian“. Für meine Doktorarbeit bin ich später mit dem Alexander Koenig Dissertationspreis ausgezeichnet worden. So war die Brücke gebaut.

Für unsere Sonderausstellung „Augenlust? Niederländische Stillleben im Detail“ stellt uns das Museum Koenig einige spannende Exponate zur Verfügung – darunter zahlreiche Schmetterlinge. Woher stammen sie und wie gelingt es, so feingliedrige Wesen zu präparieren und für die Zukunft zu erhalten?

Die vom Museum Koenig bereitgestellten Schmetterlinge und Käfer sowie Zikaden stammen aus Südamerika. Die Kunst, Insekten zu präparieren, ist eine ganz besondere. Mein Respekt für die Arbeit der Präparatorinnen und Präparatoren ist deshalb riesengroß. Wie sie das so großartig hinkriegen, bleibt ihr Geheimnis.

Fotografie. Blick in eine Vitrine, in der in runden Schachteln präparierte Schmetterlinge und Insekten liegen.
Muscheln, Schmetterlinge und Käfer: Die Sammelleidenschaft der reichen Niederländer war kaum zu bremsen. Die Entdeckungen der Welt fanden sich so auch in den Studierzimmern im Amsterdam des 17. Jahrhunderts. Foto: J. Vogel, LVR-LandesMuseum Bonn.

In unserer Ausstellung sind diese Schmetterlinge und noch weitere spannende naturkundliche Exponate in einer Vitrine zu sehen, welche die historische Präsentation einer solchen Sammlung nachahmt. Welchen Stellenwert besaßen naturkundliche Sammlungen in den Niederlanden des 17. Jahrhunderts und in welchem Verhältnis standen sie zur Kunst?

Wir müssen wissen, dass das 17. Jahrhundert von den Holländern als „Goldenes Jahrhundert“ verstanden wird. Das durch Handel reich gewordene Bürgertum legte großen Wert auf Repräsentation. Das betraf die Architektur und die Kunst, aber auch die Naturalienkabinette, Gärten und Orangerien. Eine herausragende Sammlerin von Naturalien aller Art war zum Beispiel die Amsterdamer Patrizierin Agnes Block. Es erstaunt deshalb nicht, dass ihr Anwesen auch „Flora Batavia“ genannt wurde. Auch zahlreiche Schmetterlinge gehörten zu ihrer Sammlung.

Für unsere Ausstellung haben Sie uns außerdem ein ganz besonderes Exponat aus Ihrer privaten Sammlung zur Verfügung gestellt – den Naturabguss einer kleinen Eidechse. Was macht dieses Ausstellungsstück so besonders?

Diese kleine Eidechse ist ein bronzener Naturabguss, der vermutlich aus Wien stammt. Dort gab es lange Zeit eine Spezialisierung auf diese Technik, genannt „Wiener Bronze“. Ähnlich naturgetreu dargestellt ist eine Zauneidechse auf dem Ölgemälde von Otto Marseus van Schrieck, das in Ihrer Ausstellung zu sehen ist.

Ein Gemälde. Vor einem dunklen Hintergrund steht eine verwelkte Pflanze, an der sich verschiedene Schmetterlinge, Echsen und Raupen aufhalten.
Waldbodenstillleben mit Schmetterlingen, Otto Marseus van Schrieck, um 1673, Öl/Leinwand, Hamburger Kunsthalle, Hamburg. Foto: Hamburger Kunsthalle.

Ihre Doktorarbeit haben sie zu Maria Sibylla Merian geschrieben. Als bedeutende Naturforscherin des 17. und 18. Jahrhunderts findet sie natürlich auch einen Platz in unserer Sonderausstellung. Was fasziniert sie an der Person Merians?

Sie war ein Multitalent, Künstlerin, Handwerkerin, Unternehmerin und frühe Naturforscherin. Sie hat zwei Töchter erzogen, die später selbst Künstlerinnen wurden. Mit 52 Jahren wurde sie obendrein zur Reisenden und Abenteurerin und unternahm gemeinsam mit der jüngeren Tochter zwischen 1699 und 1701 unter schweren Bedingungen eine Expeditionsreise nach Surinam in Südamerika. Das alles geschah, um herauszufinden, ob die Metamorphose der Schmetterlinge ein universelles Prinzip ist. Ihr aus dieser Reise resultierendes Hauptwerk Metamorphosis Insectorum Surinamensium ist in Ihrer Ausstellung im Original zu sehen. Dieser Prachtband mit seinen phantastischen Illustrationen hat Generationen von Kunstschaffenden und Naturwissenschaftlern inspiriert.

Vielen Dank!


Detailaufnahme aus einem Gemälde. Im Vordergrund Kirschen und Erdbeeren und im Hintergrund Pfirsiche. Darauf die Schrift: Augenlust? Niederländische Stillleben im Detail.
Cover des Katalogs, der zur Ausstellung „Augenlust? Niederländische Stillleben im Detail“ erschienen ist.

Unsere Sonderausstellung „Augenlust? Niederländische Stillleben im Detail“ ist noch bis zum 19. Februar 2023 im LVR-LandesMuseum Bonn zu sehen.

Das vielseitige Begleitprogramm zur Sonderausstellung finden Sie hier.

Sie möchten mehr erfahren? Begleitend zur Ausstellung ist ein umfangreicher Katalog mit 244 Seiten und 139 farbigen Abbildungen erschienen. Der Katalog wird vom Sandstein Verlag herausgebracht und kostet im Handel 38,00 €. Im Museumsshop ist der Katalog für 29,00 € erhältlich.

3 Antworten auf „Eidechse, Schmetterlinge und eine mutige Naturforscherin der Frühen Neuzeit“

Der Beitrag von Frau Dr. Schmidt-Loske unreine frühere Führung durch Frau Dr.Käss waren
sehr erhellend. Total tolle Ausstellung.Aber die Führung war sehr wichtig!!
H.Papst

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Ich möchte mich herzlich für die grossartige Ausstellung „Augenlust“ vedanken, die Kunst- und Sozialgeschichte wunderbar miteinander verbindet und die visuell ein Fest ist. Sehr anregend und nachwirkend. Freundliche Grüsse, Annette Landgräber

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