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LVR-LandesMuseum Bonn

Fund des Monats November 2021

Jeden Monat zeigen wir in Zusammenarbeit mit dem LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland den Fund des Monats. Ob er nun aus einer aktuellen Grabung stammt, gerade frisch restauriert ist oder auch besonders schön und zu schade für das Depot, es gibt jedes Mal einen neuen Grund und die Vielseitigkeit der Archäologie wird sehr schön deutlich.

Opas Schwert

In der Bodendenkmalpflege und hier im LVR-LandesMuseum Bonn haben wir ständig mit sehr alten Objekten zu tun, die eine wechselvolle Historie haben. Dass diese Geschichten, gleichsam die Biographie der Gegenstände, nicht vor hunderten von Jahren endeten, sondern auch heute noch neue Kapitel erhalten, zeigt der Fund des Monats November auf wunderbare Weise:

Ein lange in Vergessenheit geratenes altes Schwert kam bei häuslichen Aufräumarbeiten während des Lockdowns im November 2020 wieder zutage. Dieses Schwert befindet sich als Erbstück schon lange im Besitz der Familie, seit es vom Großvater 1955 bei Arbeiten in einer Kiesgrube in Wesel-Aue (Kreis Wesel) gefunden worden war. Diese Wiederentdeckung kam sehr gelegen, da wegen der Pandemie die Sankt-Martins-Umzüge ausfallen mussten und nun mit Hilfe des „alten Römerschwerts“ den Urenkeln doch ein wenig von der Atmosphäre rund um St. Martin und die Legende der Mantelteilung vermittelt werden konnte.

Sehr gut erhaltenes Bronzeschwert.
Möringenschwert, Bronzelegierungen, ca. 880 v. Chr., gefunden in Wesel-Aue (Kreis Wesel). Foto: J. Vogel, LVR-LandesMuseum Bonn.

Es stellte sich aber natürlich die Frage, was es mit dem Schwert eigentlich genau auf sich hat. Unter dem Betreff „Römerschwert aus Familienbesitz“ wandte sich die Familie deswegen an das LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland, um mehr zum Alter und historischen Kontext des Schwertes in Erfahrung zu bringen. Und bereits das erste Foto ließ die Archäolog*innen staunen: Das Schwert ist nicht nur wesentlich älter als angenommen, sondern gelangte zudem als Import an den Niederrhein.

Es handelt es sich um ein spätbronzezeitliches Vollgriffschwert vom Typ Möringen (ca. 880–800 v. Chr., Stufe Hallstatt B3) und ist somit rund 3.000 Jahre alt!

Knauf eines Möringenschwerts, Bronzelegierungen, ca. 880 v. Chr., gefunden in Wesel-Aue (Kreis Wesel). Foto: J. Vogel, LVR-LandesMuseum Bonn

Genauere Untersuchungen verrieten mehr über das Schwert: Seine Länge beträgt 58 cm, seine Klingenbreite 3,3 cm und die maximale Breite am Knauf 6 cm. Es besteht aus einer Klinge mit Griffangel und einem separaten Griff. Fehlende Nietstifte auf den Röntgenaufnahmen belegen, dass der Griff nicht vernietet, sondern mittels Gusstechnik mit der Klinge verbunden wurde. Die Klinge zeigt eine gerundete Mittelrippe mit je zwei flankierenden Linien als Verzierung. Auch der Griff ist mit mehreren Linien verziert, die hier quer verlaufen und wohl zusätzlich dem besseren Halt dienten.

Metallurgische Analysen ergaben, dass der Griff aus einer anderen Bronzelegierung als die Klinge gefertigt wurde. Dies könnte sowohl ästhetische und auch technische Ursachen haben. Der Griff enthält sog. Fahlerzkupfer (gräulich bis schwärzliches Kupfererz), wodurch er einen leicht silbrigeren Farbton erhält. Die Klinge wurde hingegen aus sulfidischem Kupfer (Kupferkies) und Zinn legiert, was ihr einen eher rötlichen Farbton verlieh und ihre Schmiedeeigenschaften verbesserte.
Für den Guss wurden wahrscheinlich wiederverwendbare, zweiteilige Gussformen aus weichem, gut ritzbarem und feuerfestem Stein angenommen. Dadurch konnten die Handwerkern eine große Zahl identischer Waffen herstellen.

Als das Schwert 1955 gefunden wurde, war die Mitte der Klinge gebogen. Das Stück wurde aber nicht vom Kiesbagger beschädigt, sondern bereits vor seiner Niederlegung absichtlich verbogen. Diese Unbrauchbarmachung ist häufig in spätbronzezeitlichen Hortfunden zu beobachten, die entweder als Fluss- oder Erddepots rituell niedergelegt worden sind. Zu dieser Zeit wurden Horte bevorzugt im verkehrsgünstigen Einzugsgebiet des Rheins und der Lippemündung deponiert, was zahlreiche Bronzefunde bei Wesel-Aue belegen. Es handelte sich dabei nicht um Flussdepots, sondern neuere Forschungen zeigen, dass die Objekte in der bereits verlandeten Rheinaue als Erddepots abgelegt wurden.

Dass die Klinge heute nicht mehr verbogen ist, liegt übrigens daran, dass der Finder das Schwert zu einem Schlossermeister gab und richten ließ.

In der Forschung werden Möringenschwerter oftmals als reine Prestige-, Status- oder Kultobjekte gedeutet, die kaum für den Kampf geeignet waren. Eindeutige Hiebspuren an der Schneide der Klinge des Schwertes aus Wesel-Aue belegen hingegen das zumindest dieses Schwert im Kampf zum Einsatz kam.

Das Hauptverbreitungsgebiet der Möringenschwerter erstreckt sich zwischen dem Rhônegebiet und Pommern, einschließlich Süddeutschland. Weiter nördlich finden sich nur vereinzelte Exemplare, die dorthin verhandelt wurden. Vom Niederrhein ist außer unserem Fund des Monats nur ein weiteres Exemplar aus Wesel (ehem. Kreis Rees) bekannt, das heute leider verschollen ist.

Von dem Fund in der Kiesgrube, über die Bewahrung in der Familie, der Einsatz als St. Martins Schwert und der Weg zum LVR-Amt für Bodendenkmalpflege und in das LVR-LandesMuseum – die Geschichte dieses Schwerts ist auch nach 3000 Jahren noch nicht zu Ende.

Großer Dank gebührt dem Enkel des Finders, der dieses außergewöhnliche Stück als Leihgabe dem LVR-LandesMuseum Bonn überlässt, so dass es in der neuen Dauerausstellung präsentiert werden kann.


Der Fund des Monats ist im Foyer des LVR-LandesMuseum Bonn ausgestellt.

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