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Gastblogger LVR-LandesMuseum Bonn

Eine Tagung für die Provenienzforschung

Die Forschungsvolontär*innen der Kunstmuseen NRW zu Gast im LVR-LandesMuseum Bonn

Gestalterin: Gabriele Auer, © kjpargeter via Freepik.com

Seit Anfang 2020 unterstützt das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW Kunst- und Kulturmuseen mit einem Förderprogramm. Durch dieses konnten 25 auf zwei Jahre angelegte Projektstellen für Volontierende eingerichtet werden. Ob Inventarisierung, Planung von Ausstellungen oder Aufarbeitung von Künstlernachlässen, die Projekte der Volontierenden sind in ihren Anforderungen und Fragestellungen vielfältig. Um über das eigene Aufgabenfeld hinaus von dieser Vielfalt zu profitieren, tauschen sich die Volontierenden in regelmäßigen Forschungskolloquien aus, die je nach Schwerpunkt von einem anderen Museum ausgerichtet werden.

Das Treffen mit dem Schwerpunkt Provenienzforschung war der Wichtigkeit des Themas entsprechend im Voraus nicht als eintägiges Kolloquium gedacht gewesen, sondern als Tagung für den 31. August bis zum 1. September 2021 konzipiert worden. Ausrichter und Gastgeber war das LVR-LandesMuseum Bonn. Lothar Altringer, der stellvertretende Direktor des Museums, betonte in seiner Begrüßungsrede zum Auftakt der Tagung seine Freude darüber und wie wichtig und zukunftsweisend solche Formate für lebendige Forschungsarbeit am Museum seien.

Dass das Treffen zum Thema Provenienzforschung dabei gerade im LVR-LandesMuseum Bonn stattfinden sollte, war kein Zufall. Denn das Museum erforscht seit Jahren in Projekten und mit einer festen Stelle für Provenienzforschung die eigenen Sammlungsbestände und Kunstankäufe. Diesem Anspruch entsprechend gelang es dem LVR-LandesMuseum auch, im Rahmen des Förderprogramms des Landes NRW zum Mai 2020 ein Forschungsvolontariat mit dem Schwerpunkt Provenienzforschung einzurichten.

Der erste Tag: Erforschung der Herkunft als eigene Disziplin

Woher stammen die Objekte und wie wechselten sie ihre Besitzer*innen? Was ist die Washingtoner Erklärung von 1998 und wie wird der Kontext nationalsozialistischer Verfolgung definiert? In dem ersten Vortrag mit dem Titel „Provenienzforschung – Definition, Geschichte, Ziele“ stellten Stéphanie Baumewerd und Nora Jaeger von der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn den Forschungszweig und seine Entwicklung einführend dar.

Ruth Türnich vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW folgte mit ihrem Bericht über die „Provenienzforschung in NRW: systematisch, flächendeckend und nachhaltig. Die Koordinationsstelle für Provenienzforschung“.

Geleitet von Dr. Heidi Gansohr, langjährige Provenienzforscherin des Hauses, ging es in einem Rundgang durch das Museum auch um die Geschichte der Provenienzforschung im LVR-LandesMuseum. Ergebnisse, Probleme und Strömungen in den letzten Jahren wurden diskutiert.

Zu sehen ist das Gemälde "Im Atelier" von Henry Ritter aus dem Jahr 1845. Es zeigt einen unordentlichen Raum, in dem mehrere Männer sitzen und stehen. In der Mitte steht ein Mann in Mantel und Gut. Die anderen Männer sind bunt und nachlässig gekleidet.
Das Gemälde „Im Atelier“ von Henry Ritter aus dem Jahr 1845 ist eines von 80 Bildern deren Provenienzen im derzeitigen Forschungsprojekt am LVR-LandesMuseum Bonn untersucht werden. Foto: J.Vogel, LVR-LandesMuseum Bonn

In einem weiteren Rundgang stellte Franziska Helmenstein, Forschungsvolontärin des LVR-LandesMuseums, das Projekt zur Erforschung der Herkunftsgeschichten der Gemälde des 19. Jahrhunderts und der Düsseldorfer Malerschule vor. Im Fokus stand der derzeitige Projektstand und wie Recherchen und Arbeit durch die Coronapandemie beeinflusst wurden.

Einen spannenden Abschluss des ersten Tages bildete Jasmin Hartmanns Workshop zum Thema Erstcheck und Standardisierung von Provenienzangaben. Die Mitarbeiterin der Stabstelle Provenienzforschung der Stadt Düsseldorf führte die Teilnehmer*innen an die praktische Arbeit der Provenienzforschung heran und machte anhand einer exemplarischen Objektrecherche auf methodische Probleme aufmerksam.

Der zweite Tag: Ethnologische Sammlungen, koloniale Kontexte

Wie geht man mit Objekten um, die weder europäische Kunst noch Kunsthandwerk dieses Kontinents sind? Was geschieht mit Sammlungen, deren Objekte aus außereuropäischen Ländern kommen? Wie sollte der Umgang mit menschlichen Überresten im Museumsalltag aussehen?

Nach dem gelungenen Auftakt am 31. August eröffnete Sarah Fründt vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste den zweiten Tag mit ihrem Beitrag zum „Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten: Postkoloniale Provenienzforschung – Besonderheiten, Recherchemöglichkeiten, Zusammenarbeit mit Expert*innen in der Herkunftsregion.“

Das Bild zeigt einen Raum im Rautenstrauch-Joest-Museum. Darin stehen Holzkisten, in denen Objekte gelagert werden. Die Kisten sind beschriftet mit "Mexiko", "Ozeanien", "Asien".
Raum „Begegnung und Aneignung“ im Rautenstrauch-Joest-Museum (Foto: Brückner ©RJM)

Die folgende Referentin war Yagmur Karakis. Sie besetzt derzeit das Forschungsvolontariat des Rautenstrauch-Joest-Museums Köln und damit die zweite Projektstelle mit Schwerpunkt Provenienzforschung, die durch das Förderprogramm realisiert werden konnte. Ihr Praxisbericht betraf die Aufarbeitung der dortigen Sammlungsprovenienz und die methodischen Probleme, die mit solchen Aufgaben an ethnologischen Museen einhergehen.

Den Abschluss der Tagung gestalteten Dr. Marcus Leifeld und Dr. Britta Olényi von Husen aus dem Referat für Museumsangelegenheiten der Stadt Köln. Ihr Workshop „Provenienzforschung vermitteln. Transparente Kommunikation von Forschungsergebnissen“ verdeutlichte, welche Herausforderungen mit der Vermittlung von Rechercheergebnissen einhergehen, aber auch, welche Chancen in einer gelungenen Kommunikation nach außen liegen.

Eine Collage mit verschiedenen BIldern. Das eine Bild zeigt einen Mann auf der Bühne, der einen Vortrag hält. Das zweite Bild zeigt Volontierende an einem Stehtisch beim Bearbeiten einer Aufgabe. Das dritte Bild zeigt Menschen, die sich ein Gemälde anschauen. Das vierte Bild zeigt vier Frauen bei der Bearbeitung von Aufgaben. Auf dem letzten Bild stehen zwei Personen vor einem Bild und schauen dies an.
Eindrücke von der Tagung zum Thema Provenienzforschung im LVR-LandesMuseum Bonn. Collage/Foto: Eva Eick

Besondere und wichtige Aufgabe

Abschließend sei allen Organisator*innen, Redner*innen und Teilnehmer*innen, die mit ihren vielen Gesprächen, Fragen und Diskussionen die Tagung bereichert haben, gedankt. Es wurde deutlich, dass neben den vielen Aufgaben der Mitarbeiter*innen in Museen die Provenienzforschung eine ganz besondere ist, deckt sie doch geschehenes Unrecht auf und stellt die Frage nach Gerechtigkeit.

[Franziska Helmenstein, Forschungsvolontärin im LVR-LandesMuseum Bonn]

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