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Mariana Zell

Einblick in die Gemälderestaurierung – Teil 1

Der Landschaftsverband Rheinland (LVR) richtete im letzten Jahr mehrere neue Stellen für wissenschaftliche Volontariate ein, insbesondere im Bereich der Restaurierung. Als eine der ersten beiden Volontärinnen der Restaurierung im LVR-LandesMuseum Bonn möchte ich die Gelegenheit nutzen, in regelmäßigen Abständen Fragestellungen, Untersuchungsmethoden sowie Maßnahmen der Konservierung und Restaurierung zu erläutern, um einen Einblick in die Tätigkeiten des Restaurators zu geben.

Thema meiner Blogserie ist die Restaurierung eines Gemäldes für die neue Dauerausstellung im LVR-LandesMuseum Bonn. Das Kunstwerk bietet die Möglichkeit, beispielhaft unterschiedliche Themen rund um die Gemälderestaurierung zu erklären und zu veranschaulichen.

Bartholomäus Bruyn d. Ä. und Werkstatt - Die Versuchungen Christi. Gesamtaufnahme. 1547 – 1663, 185 cm x 119 cm. Foto: Jürgen Vogel, LVR-LandesMuseum Bonn.
Abb. 1 Bartholomäus Bruyn d. Ä. und Werkstatt – Die Versuchungen Christi. Gesamtaufnahme. 1547 – 1663, 185 cm x 119 cm.
Foto: Jürgen Vogel, LVR-LandesMuseum Bonn.

Das Gemälde

Das Gemälde wird dem in Köln tätigen Maler Bartholomäus (Barthel) Bruyn d. Ä. (1493 – 1555) und seiner Werkstatt zugeschrieben, der es vermutlich zwischen 1547 und 1563 malte (Abb. 1). Das 1,85 m mal 1,19 m große Gemälde ist folgendermaßen aufgebaut: Der textile Bildträger (ein großes Gewebe) wurde vorgeleimt und grundiert, auf diese Unterlage wurde die aus mehreren Schichten bestehende Ölmalerei aufgetragen. Darauf liegt eine transparente Abschlussschicht aus Naturharz, der sogenannte Firnis.

Das Gemälde gehörte zu einem großen Zyklus mit Szenen aus dem neuen Testament, die im Umgang des Karmeliterklosters in Köln hingen. Der Ordensleiter Eberhard Billick hatte vermutlich die Idee und den Auftrag zu dieser Bildserie gegeben. Die einzelnen Gemälde wurden von verschiedenen Stiftern (Fürsten, Bischöfe, angesehene Bürger etc.) finanziert. In unserem Gemälde sieht man diesen links unten kniend.

Das Gemälde der Versuchung Christi ist möglicherweise als einziges des vermutlich an die 100 Bilder umfassenden Zyklus erhalten geblieben. Fast unvorstellbar, oder? Ein Zweites befand sich im Kölner Wallraf-Richartz Museum. Es ist jedoch durch den 2. Weltkrieg vernichtet worden. Kein weiteres Gemälde des Zyklus konnte bisher entdeckt werden.

Informationen zu diesem Gemälde-Zyklus sind durch die schriftlichen Aufzeichnungen des Kölner Ratsherrn Hermann von Weinsberg überliefert. Alle Gemälde hatten vermutlich am oberen Rand einen breiten Ornamentstreifen (den ein Schwarz-Weiß-Foto des vernichteten Kölner Bildes zeigt) mit einem Hinweis auf die entsprechende biblische Textstelle. An unserem Gemälde wurde er abgeschnitten. Unter jedem Gemälde befanden sich wohl auf der Wand oder in einem getrennten Bildfeld zusätzlich eine Inschrift.

 

Was ist auf dem Gemälde dargestellt?

Die christliche Ikonographie, die sich mit der Lehre von Bildinhalten beschäftigt, kann dabei helfen die Darstellung zu verstehen. Die hier dargestellte „Versuchung“ ist ein Ereignis aus dem Leben Jesu, das in der Bibel beschrieben wird.

In dem Moment, in dem Jesus die 40 Fastentage in der Wüste überstanden hatte, führte ihn der Teufel dreimal in Versuchung: Die erste Versuchung wird in der bildenden Kunst, wie auf diesem Gemälde, meist im Vordergrund platziert (Abb. 1). Jesus soll drei Steine in Brot verwandeln, um zu zeigen, dass er Gottes Sohn ist. Danach soll er von der Zinne eines Tempels springen, denn Engel würden ihn schon tragen (Abb. 2). Auf einem Berg soll er auf den Knien zum Teufel beten. Dafür verspricht der ihm „Macht über alle Reiche der Welt“ (Abb. 3).  Da sich Jesus vom Teufel nicht verführen lässt, erscheinen Engel, um ihm zu dienen.

 

Warum ist das Gemälde so bedeutend für die Sammlung?

Im Lauf der Jahrhunderte hat sich die Art der Darstellung von Ereignissen und Personen in der Kunst gewandelt. So erinnert vor dem 15. Jahrhundert die Figur des Teufels in der Darstellung der Versuchungen Christi eher an ein Tier mit furchteinflößender Grimasse. Danach wird sie häufiger in menschlicher Gestalt gemalt. Auf unserem Gemälde handelt es sich aber nicht um irgendeine menschliche Gestalt. Barthel Bruyn, ein fähiger Porträtist, hat hier Martin Luther als Teufel dargestellt (Abb. 5).

Martin Luther war ein populärer Vertreter der Reformation in Deutschland. Er wollte die Strukturen der katholischen Kirche erneuern. Ein wichtiger Aspekt seiner Neuerungsvorschläge war es, auf den sogenannten „Ablasshandel“ zu verzichten, der nach der Lehre der katholischen Kirche ermöglichte, sich von der Strafe für begangene Sünden freizukaufen. Dafür wurden Gebete oder Spenden für den Kirchenbau erwartet. Es bildeten sich zwei Lager: Die katholische Kirche auf der einen und die Verfechter der Reformation auf der anderen Seite. Es entstand ein folgenreicher Streit, der zu Kriegen und zur Spaltung der Kirche führte.

Wie zur Entstehungszeit des Gemäldes üblich, ließ sich auf dem Gemälde der Stifter (Geldgeber) abbilden (Abb. 4). Die Person dieses Bischofs konnte bislang nicht identifiziert werden. Eindeutig ist jedoch, dass er als hochrangiger Vertreter der katholischen Kirche und der Auftraggeber Billick die Ansichten Luthers nicht teilten. Billick nutzte die Kunst, um seine Position zur Reformation zu veranschaulichen. Im wahrsten Sinne des Wortes „verteufelte“ er Luther. Dieser hatte nämlich zuvor seinerseits dem Papst vorgeworfen, „Verführer und Versucher“ zu sein. Das Gemälde ist also ein Beleg dieses Streits zur Zeit der Reformation und damit sehr wichtig für die Sammlung des Museums. Auch als das letzte erhaltene Gemälde des Bilderzyklus ist es einzigartig.

 

Warum wird das Gemälde restauriert?

Als wichtiges Zeitzeugnis soll das Gemälde auch zukünftig in der Dauerausstellung gezeigt werden. Aber warum soll es restauriert werden? Der Firnis des Gemäldes besteht aus einer transparenten Harz-Schicht. Dieser wurde von den Künstlern früher zum Schutz der Malerei aufgetragen. Ein Gemälde mit Firnis weist eine glänzende Oberfläche auf und die Farben wirken kräftiger und leuchtender, da ihnen der Firnis Tiefenlicht verleiht. Der Firnis kann mit der Zeit jedoch eine gelbliche oder bräunliche Verfärbung entwickeln. Grund dafür ist der natürliche Alterungsprozess des Harzes. Er wird durch Lichteinwirkung, insbesondere von UV-Strahlung, beschleunigt. Dadurch kann beispielsweise der blaue Himmel auf dem Gemälde in Kombination mit dem gelben Firnis grün erscheinen. Die Farbigkeit der Malerei ist dann also verfälscht! Hinzu kommt, dass sich auf unserem Gemälde zahlreiche Übermalungen als „Ausbesserungen“ von vielen kleinen alten Beschädigungen befinden. Im Laufe der Zeit können sich auch diese Übermalungen, ebenso wie der Firnis, farblich verändern. Damit Details der Darstellung und die Farbigkeit des Gemäldes wieder besser zu erkennen sind, wird das Gemälde restauriert.

Blick in die Restaurierungswerkstatt. Foto: M. Zell, LVR-LandesMuseum Bonn.
Blick in die Restaurierungswerkstatt. Foto: M. Zell, LVR-LandesMuseum Bonn.

Was passiert jetzt?

Das Gemälde befindet sich nun im Restaurierungsatelier des LVR-LandesMuseums. Vor der Restaurierung muss es untersucht werden. Dabei geht es darum herauszufinden, wie das Gemälde aufgebaut ist und aus welchen Materialen es besteht. Es ist auch hilfreich nachzuvollziehen, welche früheren Überarbeitungen und Restaurierungen es gab. Anschließend müssen die Schäden an dem Gemälde erkannt werden. Dabei ist es wichtig, ihre Ursachen und ihre Auswirkungen auf den langfristigen Erhalt des Gemäldes im Blick zu behalten. Mit Hilfe all dieser Informationen kann ein geeignetes und auf das Gemälde und seine Materialien abgestimmtes Konzept zur Restaurierung entwickelt werden.

Welche Untersuchungsmethoden dabei helfen, ihre Ergebnisse und wie die Restaurierung des Gemäldes nun abläuft, erkläre ich im nächsten Blogbeitrag.

[Mariana Zell]

 

 

Wer interessiert ist und sich weiter einlesen möchte, hier sind ein paar Literaturhinweise:

  • Keller, Hildegart L.: Lexikon der Heiligen und biblischen Gestalten. Legende und Darstellung in der bildenden Kunst. 11. Aufl., Stuttgart 2010
  • Landesmuseum Bonn (Hrsg.): Das Rheinische Landesmuseum Bonn. Berichte aus der Arbeit des Museums. Heft 3/1975, Bonn [S. 35-38]
  • Sachs, Hannelore; Badstübner, Ernst; Neumann, Helga: Christliche Ikonographie in Stichworten. 5. Aufl., München/Berlin 1994

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